Sonntag, 16. August 2009

Seminar, Spanisch, Drogen, Armut, WG... viel zu erzählen.






Hola mis amigos !!

Nachdem ich jetzt von mehreren Seiten gerügt wurde, weil ich „so lange“ keinen Blog mehr geschrieben habe, dachte ich, dass es nun mal wieder an der Zeit ist, ein bisschen aus meinem immer argentinischeren Leben zu berichten.

Seit gestern ist also unsere Capacitación, das Einführungsseminar, zu Ende und wir sind nun im „richtigen Leben“ angekommen. Aber der Reihe nach…

Die letzte Woche im Isedet war wirklich toll! Wie das immer so ist, wächst eine Gruppe vor allen Dingen gegen Ende gut zusammen, sodass es dann schade ist, wenn man wieder auseinander geht. In den letzten Tagen hatten wir viele organisatorische Treffen, in denen es viel um die Organisation unseres Visums (hui… das ist vielleicht eine umständliche Geschichte. Fast so viel Bürokratie, wie in Deutschland!) und um die Vorbereitung auf die Projekte ging. Am Mittwoch habe ich zum Beispiel einen Workshop gemacht, der sich „Manualidades“ nannte, zu Deutsch: Wie man aus wenig viel macht. In diesen 3 Stunden haben wir gelernt, wie man tolle Sachen aus Müll basteln kann. Ich habe zum Beispiel aus leeren Jogurtbechern, Raviolidosen und Eierpappen ein Schlagzeug gebastelt. Andere haben aus alten Kartons ein Puppentheater gestaltet. Es ist wirklich gut, solche Dinge mal gemacht zu haben, da in den Projekten oft nicht das Geld für teures Tonpapier o.ä. vorhanden ist und man daher eben so gucken muss, wie man die Kinder mit anderen, einfacheren Dingen beschäftigt. Und basteln mit Müll ist da ’ne super Alternative, wie ich finde…

Eine weitere Sache, die mich beeindruckt hat, war ein Vortrag zum Thema Drogen. Fast alle Kinder, mit denen ich arbeiten werde, kommen aus den umliegenden Villas (Armenvierteln), in denen Drogen und Gewalt an der Tagesordnung sind. Eine relativ neue Droge, die hier in Argentinien kursiert, nennt sich PACO. Paco ist mehr oder weniger ein Abfallprodukt vom Koks, das je nach Dealer mit Sachen wie Medikamentenabfällen, Glasfasern oder Holzspänen gestreckt wird. Dieses Zeug wird dann geraucht und macht hochgradig abhängig und ist absolut lebensgefährlich. Das Problem ist eben, dass es eine sehr billige Droge ist, die einen kurzen, aber enormen Kick gibt. Paco ist daher vor allen Dingen ein Problem der unteren Bevölkerungsschichten. Sogar Kinder rauchen das Zeug, da es den Hunger stillt und einfach zu bekommen ist. Viele von den Kindern, mit denen wir arbeiten werden, sind ebenfalls davon betroffen. Ich bin mal gespannt, was für einen Umgang ich mit dem Thema entwickeln werde (müssen)…

Insgesamt hat das ganze Seminar sehr viel Spaß gemacht und war auch wirklich gut, um inhaltlich auf die kommende Arbeit vorbereitet zu werden. Außerdem war der tägliche Sprachkurs wirklich sinnvoll… Apropos Sprache: Mein Spanisch macht große Fortschritte. Neulich bin ich ganz alleine losgezogen, um meine Handyprobleme zu lösen und hab mit Freude feststellen können, dass ich meine Fragen verständlich stellen konnte UND sogar die Antworten verstanden habe!! Es ist wirklich toll, zu merken, dass man immer mehr, von dem was um einen rum passiert, seien es Gespräche in der UBahn oder irgendwelche Liedtexte im Radio, versteht. Und auch das mit dem selber sprechen klappt schon besser, als noch vor n paar Wochen. Zwar mache ich gerade grammatikalisch noch viiiiiele Fehler, aber ich besitze immerhin schon einen Grundvokabular, dass sich im Alltag benutzen lässt. Ich bin guter Dinge… Mal gucken wie das nach meinen ersten Tagen im Projekt aussieht. Dort spricht nämlich niemand Englisch, geschweige denn Deutsch.

Am letzten Tag haben wir vormittags alle zusammen einen Brunch im Innenhof des Isedets gemacht, um den Abschluss unserer Sprachkurse zu feiern. Davon findet ihr auch Bilder in dem Album „Capacitación“. Abends wurde dann eine letzte Andacht gefeiert, anschließend gab es dann ein grooooßes Asado. Beim Asado wird ganz viel Grillfleisch serviert, das frisch über dem Feuer zubereitet wurde. Zwar gibt es dazu noch Beilagen, aber das Hauptaugenmerk liegt absolut auf dem Fleisch! Zu Beginn hab ich nicht geglaubt, dass es möglich wäre, für über 50 Leute zu grillen… Ich wurde eines Besseren belehrt! Die Argentinier können locker für 50 Leute grillen.
Auf jeden Fall war das ein schöner letzter Abend für alle!

Am nächsten Tag kam dann allerdings der Abschied, was weniger schön war. Zum einen weil wir die Spuren des Vorabends beseitigen mussten (schließlich wurde noch ordentlich gefeiert), zum anderen weil man das Chaos in den Zimmern auflösen musste. Und außerdem sind Abschiede sowieso immer blöd… Die Stimmung war allseits gemischt. Auf der einen Seite ist die Schonzeit nun vorbei und man wird sozusagen ganz alleine ins kalte Wasser geschmissen, auf der anderen Seite freut man sich auch, dass die lange Phase der Vorbereitung nun vorbei ist und es endlich so richtig los geht!

So fuhren gestern also alle per Bus in ihre jeweiligen Projekte. Für einige ging es nach Uruguay, für andere nach Paraguay, wieder andere machten sich auf den Weg in die nördlichen Provinzen Argentiniens… Naja, und wieder andere sind einfach in Buenos Aires geblieben.

So bin ich gestern mit meinen beiden Mitbewohnern in unsere WG gezogen, die sich nur 3 Quadras vom Isedet entfernt befindet. Das war n cooles Gefühl für uns alle drei – die erste eigene Wohnung aufzuschließen und zu beziehen!!
Ich hab auch schon Fotos von der WG hochgeladen und sogar ein kleines Video gedreht, in der ich einen Rundgang durch die Wohnung mache. Könnt ihr euch in dem Album „unsere Wohnung“ angucken!
Mir gefällt die Wohnung nach wie vor wirklich gut. Sie ist zwar klein, aber trotzdem gemütlich und irgendwie schön. Des Weiteren liegt sie einfach total zentral, direkt an der Plaza Flores. Das heißt: Alle Busse fahren quasi direkt vor meiner Haustür ab. Supermarkt, Bäckerei, Gemüsehändler, Wäscherei ist alles um die Ecke… Mit Jonas und Simon, meinen beiden Mitbewohnern, verstehe ich mich nach wie vor bestens! Ich glaube, es warten lustige Zeiten auf uns drei.

In Flores (so heißt der Stadtteil, in dem ich wohne) kann ich mich auch schon viel besser orientieren und fühle ich mich immer mehr zu Hause. Gerade tagsüber ist hier wirklich viel los. Nachts ist es allerdings ein bisschen unheimlich, da viele Obdachlose in den Straßen schlafen, was auf der anderen Seite schon wieder schlimm anzusehen ist. Neulich habe ich nachts eine Familie gesehen, die auf der Straße lebt. Während der Vater irgendwie versuchte, sich und das Baby mit Pappkartons zuzudecken, hat die Mutter im Straßenmüll nach Essensresten gesucht. So etwas jeden Abend zu sehen, da es sich einfach vor deiner Haustür abspielt, ist schon irgendwie ungewohnt, traurig, bedrückend... (mir fällt kein wirklich passendes Wort ein.)

Flores ist einer der wenigen Stadtteile in Buenos Aires, in denen alle drei Bevölkerungsschichten zu finden sind (reich, mittel, arm), was häufig Überfällen führt.
Daher darf ich mich abends nicht alleine draußen bewegen, was irgendwie umständlich und nervig ist. Aber naja… hilft ja nix. Ein Ex-Voluntär hat mir neulich gesagt: Alleine wärest du ein gefundenes Fressen für n Überfall – blond, gut/reich angezogen, mit Tasche -> keine Chance! Insofern nehme ich es dann doch in Kauf, zeitlich an andere gebunden zu sein anstatt nachts alleine durch die Gegend zu laufen.

Da Montag irgendein argentinischer Feiertag ist, genießen wir im Moment noch unser langes Wochenende. Gestern waren wir beispielsweise auf Geburtstagsfeier von einem ehemaligen Voluntär und heute haben wir zu sechst einen Ausflug zu so einem Naturschutzreservat gemacht, das mitten Buenos Aires liegt. Naja… so spektakulär war die Natur da jetzt nicht, aber trotzdem war es schön, mal etwas anderes als Hochhäuser zu sehen.
Außerdem haben wir gerade den ersten großen WG-Einkauf gemacht und das erste mal gemeinsam gegessen.

Mal gucken, was wir morgen machen. Vielleicht mache ich mich mal auf die Suche nach Möbeln für mein Zimmer – ach ne, ist ja Feiertag! Nagut… dann wann anders.

Huiiii… das war jetzt aber ein langer Eintrag. Und bestimmt hab ich trotzdem noch wichtige Dinge vergessen. Dienstag geht’s für mich dann das erste mal zur Arbeit, worauf ich mich schon sehr freue! Dann berichte ich wieder neu.

Hasta luego, mis amigos!


Mir geht’s gut, ich hoffe euch auch.

eure Merle

1 Kommentar:

  1. Moin merle,
    dein blog is mir eindeutig zu lang, gestalte den mal ein bisschen kompakter ;)

    sonst alles klar bei dir?
    stephan und ich sind gerade am nach berlin ziehen, haben donnerstag endlich eine wohnung gefunden, juhuu :)

    lg
    joni

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