Samstag, 26. Juni 2010

Ein Jahr Freiwilligendienst

Auf dem Abschlussseminar haben wir Voluntäre der IERP die besten Fotos aus unserem Jahr ausgetauscht. Einerseits um Bilder für einen Kalender auszusuchen, andererseits um auch einfach so zu zeigen, was wir in dem Jahr gemacht haben. Hier zeige ich euch nun die schönsten und stärksten Fotos aus einem Jahr Freiwilligenarbeit in allen Bereichen. Die Bilder sind wie ich finde sehr schön und geben einen guten und repräsentativen Einblick in Land, Leute und Kultur... SO sieht es hier aus, am Rio de la Plata!
Danke an alle Freiwilligen, die die Fotos gemacht haben.


Casa San Pablo, Großraum Buenos Aires

Casa San Pablo, Großraum Buenos Aires

Lagerfeuer, Uruguay

Gitarrenspieler, Florencio Varela (Großraum Buenos Aires)

Altenheim in Allen (Süden Argentiniens)

Obdachloser in Uruguay

Junge im Maisfeld, Baradero (nördlich von Buenos Aires)

Viehherde in Baradero, nördlich von Buenos Aires

El Sembrador, Ezeiza, Großraum Buenos Aires

Freiwilligenarbeit:Laura beim Kinderschminken, Angelleli (Florencio Varela, Großraum Buenos Aires)

Demonstration, Tucúman, Argentinien

Mate trinken, Barrio Borro (Montevideo, Uruguay)

Mädels von Arcángel Gabriel auf einer Feria beim Klamotten verkaufen, Buenos Aires

Urdinarhain, Argentinien

Junge mit Carro in der Villa Itatí, Großraum Buenos Aires

Villa Itatí, Schaukeln über'm Müll

Zwei Mädchen der Villa Itatí, Großraum Buenos Aires

Paraguay, das Land der roten Erde

Kinder in Paraguay

Chipa-Verkäufer (Hohenau, Südparaguay)

Hohenau, Familie vor neuem Haus (Süden Paraguays)

Fiesta Fiesta Fiesta

Meine Zeit hier geht zu Ende... Die letzten vier Wochen sind angebrochen. Irre, wie schnell das ging...
In den letzten Wochen ist wieder wahnsinnig viel passiert und dadurch, dass man das Gefühl hat, die Zeit rinne einem durch die Finger, erlebt man alle Ereignisse irgendwie noch intensiver, als sie sowieso schon sind. Nun denn: Die vergangenen Wochen waren sehr feierintensiv. Angefangen bei der WM:
Da wir in unserer WG keinen Fernseher haben, müssen wir wohl oder übel immer in unsere Lieblingskneipen hier in Flores gehen, um die Spiele zu gucken. Eines Morgens war ich dann also um 8.30 Uhr mit meinem Mitbewohner Simon in 'ner Pizzeria, um das Argentinenspiel gegen Südkorea zu sehen. Es war krass mitzuerleben, wie der ganze Laden bei jeder noch so kleinsten Torchance der Argentinier auf den Beinen stand... und wenn dann ein Tor gefallen war, sah man, wie die Leute auf den Stühlen und Tischen standen, wildfremde Männer lagen sich jubelnd in den Armen und weinten vor Freude - ein Schauspiel! Naja, am Ende gewann Argentinien dann 4:1. Ein anderes kurzes Beispiel zur Fußball-Euphorie der Argentinier: Nachdem die Argentinier das erste Vorrundenspiel 1:0 gegen Nigeria gewonnen hatten, gab es am nächsten Tag in der "La Naciòn" (größte argentinische Tageszeitung, in etwa vergleichbar mit der FAZ oder der ZEIT) einen 18 (!)-seitigen Sportteil, in dem auf 14 Seiten über das überragende Spiel, den großartigen Fußballgott Maradonna und ein Zitat des absoluten Weltklassespielers Messi berichtet wurde. Wenn's um Fußball geht, haben die Argentinier echt 'n Schuss !! Da nimmt der sowieso schon große Nationalstolz noch mal ganz andere Dimensionen an... Wir sind mal gespannt, wie die beiden Spiele morgen aussehen... Sollte Deutschland im Viertelfinale wirklich auf Argentinien treffen, dann "Gnade uns Gott!"

Des Weiteren haben wir letzten Samstag den Geburtstag von Simon gefeiert, was gleichzeitig auch so ein bisschen die letzte große Party war, die wir als WG in unseren vier Wänden geschmissen haben. Geladen war ein buntes Publikum an Voluntären, Kollegen aus den Projekten, Nachbarn und sonstigen Freunden, es quetschten sich gefühlte hndert Leute in unsere vielleicht 70m²-Wohnung. Es wurde ein denkwürdiger Abend mit vielen gemischten Leuten, gemischter Musik, Chili con Carne und viel Alkohol! Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, dachte ich echt ich wäre im falschen Film!!! Ich habe unsere Wohnung noch NIE so dreckig gesehen, der Boden klebte vor Schmutz, auf unserem Wohnzimmerfußboden schwamm eine riesige Bierpfütze, es roch wie in 'ner Kneipe und in unserem Badezimmer ist der Spülkasten kaputt gegangen, sodass alles unter Wasser stand. Zu allem Überfluss klingelte in diesem Moment (um 11 Uhr morgens!) auch noch unsere ältere, etwas spießige Nachbarin von oben und bat mich darum, dass wir doch bitte den Hausflur wischen sollten, der ja nun sehr schmutzig wäre. Außerdem sei sie sehr müde, da sie gerade von der Beerdigung ihrer Mutter käme und am Abend vorher ja wegen der lauten Musik nicht richtig hatte schlafen können... Ich war in diesem Moment einfach so peinlich berührt und mir tat es für die arme Frau soooo entsetzlich leid, dass ich mich tausendmal auf noch-halb-verschlafenem, gestammeltem Spanisch bei ihr entschuldigte und versprach, den Hausflur zu putzen. Zum Glück hatten wir ein paar Übernachtungsgäste, die uns danach trotz heftigster Katerstimmung beim Aufräumen und putzen der Wohnung halfen. Insegsamt verwendeten wir einen kompletten 5 Liter-Kanister chlorhaltiges Putzmittel, um den Boden (und den Hausflur!) zu wischen... Starker Abend (und noch stärkerer Morgen) war das!

Einen Tag später fuhren wir dann alle zusammen auf das Abschlussseminar der IERP nach Baradero. Dort trafen dann das erste mal seit dem Anfangsseminar ALLE 41 Voluntäre aufeinander. Es war sehr schön, alle wiederzusehen und zu gucken, wie sich die anderen in dem Jahr entwickelt haben. Insgesamt verlebten wir fünf tolle, intensive Tage miteinander, die geprägt waren von Fußball gucken, reden, Erfahrungen austauschen, Reflexion und Vorbereitung auf die ersten Schritte in Deutschland. Und obwohl man sich natürlich auch so schon viele Gedanken über den Abschied und die Rückkehr macht, war es trotzdem gut, sich im Rahmen der Seminararbeit darüber klar zu werden, was einen erwartet. Insgesamt habe ich das Gefühl, auf dem Seminar meine Gedanken und Gefühle diesbezüglich etwas sortiert zu haben. Besonders hinsichtlich der Freundschaften, Erfahrungen und Ansichten, die ich in dem Jahr gewonnen habe und die ich mit nach Deutschland nehmen will. Am letzten Abend wurde dann (mal wieder) ordentlich gefeiert. Abschiedsgeschenke wurden überreicht, ein bisschen Impro-Theater gespielt, getanzt und Glühwein in Massen getrunken. Am nächsten Morgen sind dann alle für die letzte Etappe in ihre jeweiligen Projekte zurückgefahren, um die letzten Wochen noch mal voll und ganz zu nutzen.

Fotos von den ganzen Festivitäten gibt's natürlich wieder im neuen Album zu sehen.
un abrazo
eure Merle

Samstag, 12. Juni 2010

Stromausfall und sonstige Dinge

Hola amigos !!
In letzter Zeit sind wieder einige lustige Dinge passiert, angefangen bei dem Stromausfall, den wir letzte Woche hatten. Am vergangenen Donnerstag ist leider der Hauptstromgenerator für komplett Flores (mein Viertel), Floresta und Caballito ausgefallen. Ich stieg also um 18 Uhr aus dem Bus und stand auf einer nahezu ausgestorbenen Rivadavia, die Hauptstraße auf der man sich normalerweise vor lauter Verkehr und Menschen nicht rühren kann. Das war schon mal 'n gruseliges Gefühl, da es auch langsam anfing, dunkel zu werden. Ich ging dann noch bei mir im Cuadra ein paar Sachen einkaufen. In der Bäckerei wurde das Brot bei Kerzenschein verkauft, unser Gemüsehändler, der sonst immer bis 22 Uhr geöffnet ist, hatte schon geschlossen und in der Fiambreria ('ne Art Käse- und Wurstladen) wurde mir geraten, mich nicht alleine auf der Straße rumzutreiben, sondern möglichst schnell nach Hause zu gehen. Man hatte wirklich das Gefühl, sich in einer Geisterstadt zu bewegen... In den Restaurants wurden die Tische mit Kerzen beleuchtet und an den Supermärkten klebten schon Schilder an den Fenstern mit "Kerzen ausverkauft". Während ich also den stromlosen Abend dazu genutzt habe, im Licht meiner grandiosen, batteriebetriebenen Kopflampe (für die ich nebenbei bemerkt IMMER ausgelacht wurde!) Apfelkuchen gebacken habe, nutzte mein Mitbewohner Simon die Gunst der Stunde und verschönerte die ausgestorbenen Straßen mit seinen "Wandkunstwerken".
Nach 24 stromlosen Stunden wurde dann irgendwann der Hauptstromgenerator repariert, mit dem Erfolg, dass mitten in der Nacht (ca. um 3 Uhr morgens) plötzlich Festbeleuchtung in unserer Wohnung herrschte. Tja, nun haben wir wieder Strom, dafür funktioniert unser Internet seit drei Tagen nicht mehr... So ist das Leben. Am Dienstag soll ein Techniker von der Telefongesellschaft kommen und das Internet reparieren. Mal gucken, ob der wirklich kommt - wir sind gespannt...
Außerdem hatte ich letzte Woche meinen voraussichtlich letzten Chorauftritt mit dem Chor der ökonomischen Fakultät der Universität Buenos Aires, in dem ich seit Oktober letzten Jahres mitsinge. Es war ein Konzert in dem wirklich sehr prächtig gestalteten Hauptsaal der "Casa de la Cultura". Ich hatte sogar ein bisschen Publikum, das endlich einmal Fotos vom Chor machen konnte, da drei befreundete Voluntärinnen zum zugucken gekommen sind. Das war schön! Hinterher haben wir dann noch ein großes, original schwäbisches Spätzleessen bei uns in der WG veranstaltet... wirklich köstlich!
Des Weiteren haben wir neulich das Geburtstagsgeschenk einer Freundin eingelöst und sind mit 'ner Gruppe Mädels in die Oper gegangen. Gegeben wurde Puccinis "Mme Butterfly", eine wunderbar dramatische, herzzerreißende Liebesgeschichte auf italienisch. Und mal wieder habeich die Erkenntnis gewonnen: Weniger ins Kino, dafür mehr in die Oper und ins Theater gehen!
La Paloma läuft nach wie vor großartig! Seit zwei Wochen habe ich einen neuen Kollegen, mit dem ich zusammen die Gruppe der mittleren Kinder leite. Die Zusammenarbeit läuft echt super, die Aktivitäten sind viel organisierter und durchdachter, als in der Arbeit mit meinem alten Kollegen. Izwischen hat auch die WM Einzug in La Paloma erhalten. Ich habe letzte Woche einen riesigen Spielplan mit tausenden kleinen Fähnchen gebastelt, der nun im Comedor (so nennt sich der große Speisesaal) hängt und für ordentlich Gesprächsstoff sorgt. Doch ich merke schon jetzt, dass bei den Argentiniern die Freundschaft beim Thema Fußball echt aufhört. Gestern meinte ich zu einigen Jungs: "Hey, wenn ich morgen Argentinien anfeuere, dann müsst ihr am Sonntag auch für Deutschland die Daumen drücken." Daraufhin wurden mir Sätze entgegen geschleudert wie "Näää, nicht für die Deutschen! Die Deutschen können sowieso nicht vernünftig Fußball spielen!" Mein Kollege und ich nehmen die WM jetzt auch als Anlass, um mit den Kindern ein bisschen zu den verschiedenen Ländern zu arbeiten. Wir werden ganz banale Dinge behandeln: Wo liegt eigentlich Südarfika? Wie sehen die Leute da aus? Ist das 'n armes oder 'n reiches Land? usw... Auf diese Themeneinheiten freue ich mich schon sehr.
Gestern kam meine schwangere Kollegin, deren Baby "Joaquin" heißen wird, und meinte ganz aufgeregt zu mir: "Merle, Merle, mein Mann hat mir erzählt, dass der Trainer der deutschen Nationalmannschaft auch Joaquin mit Vornamen heißt!" Es dauerte eine Weile, bis ich verstanden habe, dass sie von JOACHIM Löw redete und ich ihr daraufhin das Missverständnis erklären konnte ;-)
Ach ja, mittlerweile sind die Wochen echt gezählt und man versucht, noch so viele Sachen zu erledigen, zu sehen, zu machen, zu kaufen wie möglich. Und ich merke schon jetzt, dass ich nicht alles schaffen werde, was ich mir vorgenommen habe. Tja, sieht wohl so aus, als müsste ich noch mal wieder nach Argentinien kommen.
Jetzt verbringe ich allerdings gerade den verregneten Samstagnachmittag damit, mit meinem Laptop in meiner Lieblingskneipe zu sitzen, Cappuchino zu trinken und einwandfrei funktionierendes WLan zu genießen. Demzufolge könnt ihr übrigens auch wieder neue Fotos und vor allen Dingen zwei kleine Videos bewundern, die kleine Ausschnitte unseres WG-Lebens zeigen.
Liebe Grüße ins hoffentlich wärmere Deutschland,
eure Merle