Montag, 9. August 2010

La Paloma - tu lugar!

Kurz vor meinem Rückflug wurde ich gebeten, einen Einleitungstext für die Homepage des Freiwilligenprogramms der IERP zu schreiben. Da ich auf diesen anderthalb Seiten relativ abschließend beschreibe, was La Paloma genau ist und wie ich meinen Freiwilligendienst dort in Argentinien erlebt habe, halte ich es für sinnvoll und angebracht, meinen Blog mit diesem Text zu beenden.
GRACIAS POR TODO !!!

„La Paloma- tu lugar! La Paloma- tu lugar!“
(deutsch: La Paloma – dein Ort!“)

Dieser Satz ist Schlachtruf, Lebensgefühl, Einladung und Appell zugleich.
Die Kinder von La Paloma stehen am Spielfeldrand, rufen ihn aus Leibeskräften, klatschen dazu rhythmisch in die Hände und feuern so ihre Freunde an, die gerade auf dem Fußballplatz die Ehre der Mannschaft verteidigen.

In dem Kinder-und Jugend-Tageszentrum „La Paloma“, das sich in San Justo/La Matanza befindet, werden Kinder aus armen und schwierigen sozialen Verhältnissen betreut. Dort leiste ich, vom Nordelbischen Missionszentrum in Hamburg entsandt, seit August 2009 meinen Freiwilligendienst. Wenn ich gefragt werde, was wir denn dort genau arbeiten, antworte ich immer: „Es wird versucht, den Kindern das zu geben, was ihnen zu Hause fehlt.“ Das können praktische Sachen sein, wie z.B. Essen, Zähneputzen, Kleidung oder auch Dinge wie ein offenes Ohr, eine Umarmung, Zeit und Aufmerksamkeit. Der fest etablierten Tagesablauf im Projekt – essen, duschen, spielen, aufräumen – bringt Struktur in das sonst meist von Chaos und Unstetigkeit geprägte Leben der Kinder. La Paloma bietet ihnen einen Ort frei von Gewalt, an dem sie ihre Grenzen austesten und sich entwickeln können. Ein Ort voller Gemeinschaft, Kreativität, Streitereien und Versöhnung, der alle Beteiligten, sowohl Kinder, Jugendliche als auch Mitarbeiter, jeden Tag auf's Neue die Werte des friedlichen Zusammenlebens lehrt.
Auch ich habe mich während meines Freiwilligendienstes in La Paloma weiterentwickelt. Angefangen damit, dass ich mir erst einmal meinen Platz, meine Aufgaben und vor allen Dingen meinen Respekt im Projekt erarbeiten musste. Zeitweise brauchte ich wirklich ein dickes Fell, um z.B. den Späße der Jugendlichen auf Kosten meiner zu Beginn noch fehlenden Spanischkenntnisse oder den „Wir-testen-mal-die-Nerven-der-Deutschen“-Wasserschlachten im Badezimmer standhalten zu können. Irgendwann war dann aber die anfängliche „Probezeit“ beiderseits überstanden und ich begann, aktiv in den verschiedenen Gruppen von La Paloma mitzuarbeiten, Aktivitäten vorzubereiten und hier und dort auszuhelfen, wenn Not am Mann war. Durch die tägliche Arbeit und den regelmäßigen Austausch mit meinen Kollegen habe ich in dem Jahr, besonders auf pädagogischer, zwischenmenschlicher Ebene, viel gelernt. Mein Geduldsfaden ist um einige Meter gewachsen, mittlerweile kann ich bei aufkommender Langeweile spontan 'n Spielchen aus dem Hut zaubern und ohne Schwierigkeiten die Gemütslage einiger Kinder aus der Ferne anhand ihrer Gangart erkennen.

Außerdem habe ich gelernt, Dinge im größeren Zusammenhang zu sehen. Die Kinder von La Paloma und die mit ihnen verbundenen Geschichten, haben den Problemen, den Ungerechtigkeiten dieser Welt ein Gesicht gegeben. Sie zeigen mir, wo es an Entwicklung, an Geld, an Perspektiven fehlt... Doch sie zeigen mir auch jeden Tag, wie schön man die gemeinsame Zeit gestalten kann und dass ich meinen Platz bei ihnen gefunden habe. Encontré mi lugar!

Nun werde ich versuchen, meine hier gemachten Erfahrungen mit nach Deutschland zu nehmen. Da ich als Freiwillige ein Jahr lang für die Kinder wie eine Botschafterin aus einer anderen Welt war, sehe ich mich nun auch in der Pflicht, dieses Engagement in die andere Richtung hin auszuüben, sprich: all das was ich hier gesehen, gelernt und erlebt habe, als Botschafterin mit nach Deutschland zu bringen und soweit es möglich ist, auch bei meinen Mitmenschen dort ein Bewusstsein für die eine Welt, für den einen -unseren- Ort zu schaffen.

Wenn also die Kinder beim Fußball im Chor rufen: „La Paloma – tu lugar!“, dann feuern sie nicht nur ihre Kameraden auf dem Spielfeld an, nein, sie rufen das hinaus, was sie durch La Paloma gelernt haben, was La Paloma für sie bedeutet. Sie plädieren für ein gemeinsames und offenes Miteinander, für Solidarität und Freundschaft!

von Merle Sievers

Ende und Anfang (?)

So meine Lieben,
ich bin wieder in Deutschland, mein Jahr in Argentinien ist zu Ende, daher wird das heute der letzte Eintrag auf meinem Blog sein.
Dennoch gibt es noch einige Sachen zu berichten, die in den letzten Wochen passiert sind.
Angefangen mit meinem letzten Kurzurlaub in Argentinen, dem Trip nach Mendoza. Mit meiner argentinischen Freundin Mayra bin ich für 4 Tage in die kleine Stadt in den Anden geflogen. Wir haben verschiedene Weingüter besucht, Ausflüge in die Berge gemacht, standen mit unseren Füßen im Schnee und haben insgesamt einfach unsere letzte gemeinsame Zeit genossen. Daher fiel mir der Abscheid wenige Tage später von ihr auch besonders schwer, da wir uns gerade durch diese Reise zum Schluß noch mal richtig gut kennengelernt haben. Mayra hat mir auf der einen Seite geholfen, Buenos Aires besser kennenzulernen, auf der anderen Seite habe ich über sie viele andere Argentinier kennengelernt, die mir alle zusammen einen anderen Zugang zur argentinischen Bevölkerung ermöglicht haben. Daher war sie für mich eine wichtige Person in dem Jahr und ich danke ihr für ihre Freundschaft!
Sie hat mir zum Abschied einen Brief geschrieben, von dem sie wollte, dass ich ihn ins Deutsche übersetzte und hier publiziere. Zitat: "Ich möchte, dass deine Familie und deine Freunde in Deutschland wissen, wie ich dich hier erlebt habe und was für einen tollen Einfluss du hier gehabt hast." Gesagt, getan. Zwar ist die Übersetzung etwas holprig (auf Spanisch klingt das ganze natürlich viel schöner und runder!), aber hier ist Mayras Brief:

"Die Erfahrung, mit Merle gemeinsam Mendoza zu erkunden, werde ich nie vergessen. Nicht nur weil wir diese wunderschöne Provinz kennengelernt haben, sonder auch, weil wir die Gesellschaft der jeweils anderen sehr genossen haben. Auf der einen Seite haben wir die Schönheiten meines Landes gesehen, auf der anderen Seite hat Merle auch viele Geschichten aus Deutschland erzählt und so ein Stück deutsche Schönheit hierher gebracht.
Wir haben viele schöne, aber auch einige weniger erfreuliche Gefühle geteilt, wodurch aber beide an Stärke gewonnen haben.
Schlussendlich hatten wir jedoch das Glück, gemeinsam so viele denkwürdige Momente erlebt zu haben, dass ich sie mit Worten gar nicht vollends beschrieben könnte.
Ich schreibe diesen Text über meine Erfahrungen mit Merle, damit ihre Familie und ihre Freunde eine Idee davon bekommen können, welch einen positiven Einfluss sie in meinem Leben gehabt hat, seit ich sie im Oktober letzten Jahres kennengelernt habe. Aber eigentlich soll dieser Brief ihr gewidmet sein, damit sie nie vergisst, was für eine besondere Person sie ist. Sie hat ein so großes Herz, das alle verzaubert und die Menschen dazu bringt, ihr zu vertrauen. Sie ist ehrlich, optimistisch, voller Spaß und Lebensfreude.
Dies zu schreiben, macht mich sehr traurig, denn es erinnert mich daran, dass sie in wenigen Tagen in ihr Land zurückkehren wird, das von meinem so weit entfernt ist.
Nichtsdestotrotz danke ich Gott von ganzem Herzen dafür, dass unsere Wege sich gekreuzt haben.
Merle, vielen Dank, dass du meine Freundin bist. Du kannst immer auf mich zählen. Deine Freundin Mayra"


Nach dem Kurzurlaub in Mendoza begann die Zeit der Verabschiedungen. Eine Zeit, die für mich sehr schwierig war und mir viel abverlangt hat. Mir kam es vor als hätte es fast jeden Tag ein anderes "letztes Mal" gegeben. Die letzte Chorprobe, der letzte Schnack mit der Waschfrau, die letzte Pizza bei San José, der letzte WG-Abend, ein letztes mal beim
Bolivianer um die Ecke Gemüse kaufen, das letzte mal Party machen mit den anderen Voluntären usw. Es waren Abschiede von Personen, von Orten, von Gewohnheiten, von Sachen... und ein Abschied alleine wäre ja gar nicht so schlimm gewesen, aber in den letzten zwei Wochen kamen diese ganzen Abscheide natürlich alle auf einmal. Auf der einen Seite also eine sehr schöne, weil sehr intensive, von Aufmerksamkeit geprägte Zeit, auf der anderen Seite aber auch eine sehr anstrengende Zeit. Zwischendurch bin ich dann auch ein bisschen krank geworden, hab mich aber wieder schnell aufpeppeln lassen. Es lebe die Pharmazie!


Abschiedsfeier mit meinem Chor



Ein Tribut an die tollsten Mitbewohner und die beste WG von Welt!

Der mit Abstand schwierigste Abschied war natürlich der von La Paloma. Doch auch der ist einigermaßen gut über die Bühne gegangen. Eigentllich war es ein ganz normaler Tag, so wie immer... mit Mittagessen, Fußball spielen und normal geplanten Aktivitäten. Am Ende haben die Kinder mir dann zur Merienda einen Bilderrahmen geschenkt, in dem sie all das gemalt hatten, was sie mit mir verbinden bzw. Dinge, die ich immer mit den Kindern gemacht hab (zähneputzen, duschen, spielen, malen...) Ich hatte als Abschiedsgeschenk eine riesige Pinnwand verziert und mit den schönsten Fotos aus dem Jahr beklebt. Über diesen irgendwie ganz normalen und am Ende doch ein bisschen besonderen letzten Tag in La Paloma habe ich mich am meisten gefreut!

Nichtsdestotrotz vermisse ich La Paloma schon jetzt. Vorgestern hat eine meiner Kolleginnen ihr erstes Kind bekommen und ich weiß genau, wie jetzt alle wahnsinnig aufgeregt sind, sich Geschenke überlegen und dieses Ereignis irgendwie gemeinsam feiern. Da wäre ich schon gerne dabei!
Aber das geht nicht - noch nicht!
Jetzt bin ich erst mal wieder hier in Deutschland, bei meinen Freunden, meiner Familie, die mich alle so lieb empfangen haben.
Und was kommt jetzt? Tja, das weiß ich auch noch nicht sooo genau. Wenn alles klappt, möchte ich zum Sommersemester 2011 anfangen "Online-Redakteur/in" in Köln zu studieren. Bis dahin werde ich hoffentlich ein oder zwei Praktika in dem Bereich machen. Außerdem kellner ich wieder in meinem alten Café und verdiene so ein bisschen Geld, um vielleicht noch mal ein bisschen auf Deutschlandreise zu gehen und verscheidene Freunde in verschiedenen Städten zu besuchen. Ich kann jedoch nicht ganz verneinen, dass meine Gedanken im Moment noch ziemlich viel in Argentinen hängen, ich ständig den Vergleich zwischen den Ländern ziehe und mich daher noch etwas fremd im eigenen Land fühle. Mein Stimmungsbarometer schwankt ständig zwischen "geil", "komisch" und "einsam"... Naja, mal gucken, was die Zeit so mit sich bringt.

An dieser Stelle, möchte ich mich einmal bei allen bedanken, die es mir mit ermöglicht haben, diesen Freiwilligendienst zu machen. Ich habe in dem Jahr so viel kennenlernen dürfen, habe so viel gesehen und erlebt und nicht zuletzt unglaublich viel gelernt! Ich werde versuchen, das Engagement aus dem Jahr auch in Deutschland weiterzuführen, ich will in die Kieler Schulen gehen und von meinem Freiwilligendienst erzählen, ich will versuchen, weiter Spenden für La Paloma zu sammeln und nicht zuletzt wird mein eigenes Denken und Handeln fortan von meinen Erfahrungen aus Argentinien geprägt sein.
Irgendwann werde ich bestimmt noch mal zurückkehren in das Land, das mir so gut gefallen hat, zu den Leuten, die mich so nett aufgenommen haben und nicht zuletzt nach La Paloma, der Ort, der mir am meisten bedeutet hat in dem Jahr, der mir am meisten gegeben hat.

Letzte Woche habe ich meine Nachfolgerin, die neue Freiwillige für La Paloma, kennengelernt. Nächste Woche steigt sie ins Flugzeug, genauso aufgeregt und gespannt wie ich es damals war. So schließt sich der Kreis... Ich wünsche ihr alles Gute, ein dickes Fell und ein ebenso tolles Jahr, wie ich es erleben durfte!
Vielen Dank an alle, die hin und wieder mal meinen Blog gelesen und mich so ein stückweit in meinem Jahr begleitet haben. Es ist schön zu wissen, dass man sich die Mühe des Schreibens nicht nur für sich selbst gemacht hat, sondern es tatsächlich auch Menschen gab, die meine Einträge mit Freude gelesen haben, bzw. teilweise auch "nur" meine Bilder angeguckt haben. Über ein abschließendes Feedback würde ich mich sehr freuen, da ich bis heute schwer einschätzen kann wer/wie viele meinen Blog tatsächlich verfolgt haben. Schreibt mir doch einfach mal! merlesievers@web.de
Wenn jemand eine Idee hat, wo oder wie ich von meinem Jahr berichten könnte, darf er sich ebenfalls gerne bei mir melden. Ich bin dankbar für jede Möglichkeit!

Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft,
eure Merle

Donnerstag, 22. Juli 2010

die letzten Minuten...

Ich bin quasi schon auf dem Weg zum Flughafen. Die Berichte über die letzten Tage, die Abschiede usw kommen dann aus Deutschland... Die Zeit hat zum bloggen einfach nicht mehr gereicht.
Nos vemos pronto AMIGOS !! Ich freu mich !!

Sonntag, 11. Juli 2010

Ihr Lieben,
ich schreibe euch gerade aus Mendoza, wo ich ein langes Wochenende mit einer Freundin verbringe. Heute haben wir einen Ausflug ins Umland von Mendoza gemacht, rauf auf die Anden. Und ab einer gewissen Hoehe war es so a****kalt, dass Schnee lag und die Leute Wintersport betrieben. Ich hab mich gefuehlt, als befaende ich mich im Tiroler Hochland.
Dass ich in einem Jahr Argentinien noch mal Schnee zu sehen bekomme, haette ich auch nicht gedacht... und dann dazu die Vorstellung, in anderthalb Wochen im Hochsommer in Deutschland anzukommen! Das hat mich in dem Moment echt ueberfordert ;-)
Willkommen im Zeitalter der Globalisierung!

Dienstag, 6. Juli 2010

Fehlendes Recht auf Abtreibung in Argentinien

Ich möchte euch kurz auf zwei Artikel hinweisen, auf die ich im Rahmen uneres Voluntariadoprogramms aufmerksam geworden bin.
Rechts in der Rubrik "Leenswertes" findet ihr einmal einen Artikel über das nach wie vor fehlende Recht auf Abtreibung in Argentinien und die daraus restultierenden Folgen. Außerdem einen Artikel über den erschwerten Zugang zur Empfängnisverhütung für Frauen und die Gefahren, die dieses Problem mit sich bringt.
Als ich die beiden Artikel gelesen habe, war ich sehr betroffen, da sowohl viele der jugendlichen Mädchen von La Paloma als auch ihr Mütter sich genau diesen Problemen ausgesetzt sehen. Dieses Thema lässt mich mal wieder erkennen, in was für einer entwickelten, emanzipierten Gesellschaft wir in Deutschland leben und wie sehr es hier in Argentinien einfach noch an Entwicklung fehlt.
Hier die für mich krassesten Eckpunkte in Kurzform:

- Abtreibung ist illegal und wird mit bis zu 4 Jahren Gefägnis bestraft (Ausunahme nur bei Gefährdung des Lebens der Mutter oder der Vergewaltigung einer geistig verwirrten Frau)
- pro Jahr gibt es in Argentinien ca. 700.000 Geburten und 500.000 illegale Abtreibungen
- eine sichere Abtreibung kann eigentlich nur in den teuren Privatkrankenhäusern des Landes gewährleistet werden. Die Frauen, die sich das nicht leisten können, treiben unter gefährlichen, unprofessionellen und unhygienischen Bedingungen ab (zwei-Klassen-Medizin)
- manche Ärzte verzichten sogar absichtlich auf Betäubungsmittel und schaben den Frauen bei vollem Bewusstsein die Gebärmutter aus, da die Schmerzen der Frau quasi als Lehre dienen sollen
- viele Frauen haben mit erschwertem Zugang zu empfängnisverhütenden Mitteln, mit häuslicher Gewalt und der wirtschaftlichen Abhängigkeit gegenüber ihren Männern zu kämpfen
- sie können nicht frei entscheiden wann, in welchem Abstand und unter welchen Bedingungen sie Kinder bekommen möchten (Verstoß gegen die Menschenrechte!)
- wenn eine Frau sich sterilisieren lassen will, muss sie über 35 Jahre alt sein, mindestens 3 Kinder haben und ihr Ehemann muss im Beisein zweier Zeugen unterschreiben, dass er mit der Sterilisation seiner Ehefrau einverstanden ist
- exemplarischer Fall für den Kampf um das Recht auf Abtreibung: im Jahr 2002 wurde ein damals 17-jähriges Mädchen in Folge einer Vergewaltigung schwanger, sie verschwieg sowohl die Vergewaltigung als auch die Schwangerschaft, als sie 7 Monate später das Kind auf der elterlichen Toilette zur Welt brachte, stach sie inmitten eines psychotischen Anfalls auf das Neugeborene ein, das daraufhin wenig später verstarb. Dem Mädchen droht nun eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes, der Vergewaltiger hingegen war nach 23 Tagen Haft wieder auf freiem Fuß

Samstag, 26. Juni 2010

Ein Jahr Freiwilligendienst

Auf dem Abschlussseminar haben wir Voluntäre der IERP die besten Fotos aus unserem Jahr ausgetauscht. Einerseits um Bilder für einen Kalender auszusuchen, andererseits um auch einfach so zu zeigen, was wir in dem Jahr gemacht haben. Hier zeige ich euch nun die schönsten und stärksten Fotos aus einem Jahr Freiwilligenarbeit in allen Bereichen. Die Bilder sind wie ich finde sehr schön und geben einen guten und repräsentativen Einblick in Land, Leute und Kultur... SO sieht es hier aus, am Rio de la Plata!
Danke an alle Freiwilligen, die die Fotos gemacht haben.


Casa San Pablo, Großraum Buenos Aires

Casa San Pablo, Großraum Buenos Aires

Lagerfeuer, Uruguay

Gitarrenspieler, Florencio Varela (Großraum Buenos Aires)

Altenheim in Allen (Süden Argentiniens)

Obdachloser in Uruguay

Junge im Maisfeld, Baradero (nördlich von Buenos Aires)

Viehherde in Baradero, nördlich von Buenos Aires

El Sembrador, Ezeiza, Großraum Buenos Aires

Freiwilligenarbeit:Laura beim Kinderschminken, Angelleli (Florencio Varela, Großraum Buenos Aires)

Demonstration, Tucúman, Argentinien

Mate trinken, Barrio Borro (Montevideo, Uruguay)

Mädels von Arcángel Gabriel auf einer Feria beim Klamotten verkaufen, Buenos Aires

Urdinarhain, Argentinien

Junge mit Carro in der Villa Itatí, Großraum Buenos Aires

Villa Itatí, Schaukeln über'm Müll

Zwei Mädchen der Villa Itatí, Großraum Buenos Aires

Paraguay, das Land der roten Erde

Kinder in Paraguay

Chipa-Verkäufer (Hohenau, Südparaguay)

Hohenau, Familie vor neuem Haus (Süden Paraguays)

Fiesta Fiesta Fiesta

Meine Zeit hier geht zu Ende... Die letzten vier Wochen sind angebrochen. Irre, wie schnell das ging...
In den letzten Wochen ist wieder wahnsinnig viel passiert und dadurch, dass man das Gefühl hat, die Zeit rinne einem durch die Finger, erlebt man alle Ereignisse irgendwie noch intensiver, als sie sowieso schon sind. Nun denn: Die vergangenen Wochen waren sehr feierintensiv. Angefangen bei der WM:
Da wir in unserer WG keinen Fernseher haben, müssen wir wohl oder übel immer in unsere Lieblingskneipen hier in Flores gehen, um die Spiele zu gucken. Eines Morgens war ich dann also um 8.30 Uhr mit meinem Mitbewohner Simon in 'ner Pizzeria, um das Argentinenspiel gegen Südkorea zu sehen. Es war krass mitzuerleben, wie der ganze Laden bei jeder noch so kleinsten Torchance der Argentinier auf den Beinen stand... und wenn dann ein Tor gefallen war, sah man, wie die Leute auf den Stühlen und Tischen standen, wildfremde Männer lagen sich jubelnd in den Armen und weinten vor Freude - ein Schauspiel! Naja, am Ende gewann Argentinien dann 4:1. Ein anderes kurzes Beispiel zur Fußball-Euphorie der Argentinier: Nachdem die Argentinier das erste Vorrundenspiel 1:0 gegen Nigeria gewonnen hatten, gab es am nächsten Tag in der "La Naciòn" (größte argentinische Tageszeitung, in etwa vergleichbar mit der FAZ oder der ZEIT) einen 18 (!)-seitigen Sportteil, in dem auf 14 Seiten über das überragende Spiel, den großartigen Fußballgott Maradonna und ein Zitat des absoluten Weltklassespielers Messi berichtet wurde. Wenn's um Fußball geht, haben die Argentinier echt 'n Schuss !! Da nimmt der sowieso schon große Nationalstolz noch mal ganz andere Dimensionen an... Wir sind mal gespannt, wie die beiden Spiele morgen aussehen... Sollte Deutschland im Viertelfinale wirklich auf Argentinien treffen, dann "Gnade uns Gott!"

Des Weiteren haben wir letzten Samstag den Geburtstag von Simon gefeiert, was gleichzeitig auch so ein bisschen die letzte große Party war, die wir als WG in unseren vier Wänden geschmissen haben. Geladen war ein buntes Publikum an Voluntären, Kollegen aus den Projekten, Nachbarn und sonstigen Freunden, es quetschten sich gefühlte hndert Leute in unsere vielleicht 70m²-Wohnung. Es wurde ein denkwürdiger Abend mit vielen gemischten Leuten, gemischter Musik, Chili con Carne und viel Alkohol! Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, dachte ich echt ich wäre im falschen Film!!! Ich habe unsere Wohnung noch NIE so dreckig gesehen, der Boden klebte vor Schmutz, auf unserem Wohnzimmerfußboden schwamm eine riesige Bierpfütze, es roch wie in 'ner Kneipe und in unserem Badezimmer ist der Spülkasten kaputt gegangen, sodass alles unter Wasser stand. Zu allem Überfluss klingelte in diesem Moment (um 11 Uhr morgens!) auch noch unsere ältere, etwas spießige Nachbarin von oben und bat mich darum, dass wir doch bitte den Hausflur wischen sollten, der ja nun sehr schmutzig wäre. Außerdem sei sie sehr müde, da sie gerade von der Beerdigung ihrer Mutter käme und am Abend vorher ja wegen der lauten Musik nicht richtig hatte schlafen können... Ich war in diesem Moment einfach so peinlich berührt und mir tat es für die arme Frau soooo entsetzlich leid, dass ich mich tausendmal auf noch-halb-verschlafenem, gestammeltem Spanisch bei ihr entschuldigte und versprach, den Hausflur zu putzen. Zum Glück hatten wir ein paar Übernachtungsgäste, die uns danach trotz heftigster Katerstimmung beim Aufräumen und putzen der Wohnung halfen. Insegsamt verwendeten wir einen kompletten 5 Liter-Kanister chlorhaltiges Putzmittel, um den Boden (und den Hausflur!) zu wischen... Starker Abend (und noch stärkerer Morgen) war das!

Einen Tag später fuhren wir dann alle zusammen auf das Abschlussseminar der IERP nach Baradero. Dort trafen dann das erste mal seit dem Anfangsseminar ALLE 41 Voluntäre aufeinander. Es war sehr schön, alle wiederzusehen und zu gucken, wie sich die anderen in dem Jahr entwickelt haben. Insgesamt verlebten wir fünf tolle, intensive Tage miteinander, die geprägt waren von Fußball gucken, reden, Erfahrungen austauschen, Reflexion und Vorbereitung auf die ersten Schritte in Deutschland. Und obwohl man sich natürlich auch so schon viele Gedanken über den Abschied und die Rückkehr macht, war es trotzdem gut, sich im Rahmen der Seminararbeit darüber klar zu werden, was einen erwartet. Insgesamt habe ich das Gefühl, auf dem Seminar meine Gedanken und Gefühle diesbezüglich etwas sortiert zu haben. Besonders hinsichtlich der Freundschaften, Erfahrungen und Ansichten, die ich in dem Jahr gewonnen habe und die ich mit nach Deutschland nehmen will. Am letzten Abend wurde dann (mal wieder) ordentlich gefeiert. Abschiedsgeschenke wurden überreicht, ein bisschen Impro-Theater gespielt, getanzt und Glühwein in Massen getrunken. Am nächsten Morgen sind dann alle für die letzte Etappe in ihre jeweiligen Projekte zurückgefahren, um die letzten Wochen noch mal voll und ganz zu nutzen.

Fotos von den ganzen Festivitäten gibt's natürlich wieder im neuen Album zu sehen.
un abrazo
eure Merle

Samstag, 12. Juni 2010

Stromausfall und sonstige Dinge

Hola amigos !!
In letzter Zeit sind wieder einige lustige Dinge passiert, angefangen bei dem Stromausfall, den wir letzte Woche hatten. Am vergangenen Donnerstag ist leider der Hauptstromgenerator für komplett Flores (mein Viertel), Floresta und Caballito ausgefallen. Ich stieg also um 18 Uhr aus dem Bus und stand auf einer nahezu ausgestorbenen Rivadavia, die Hauptstraße auf der man sich normalerweise vor lauter Verkehr und Menschen nicht rühren kann. Das war schon mal 'n gruseliges Gefühl, da es auch langsam anfing, dunkel zu werden. Ich ging dann noch bei mir im Cuadra ein paar Sachen einkaufen. In der Bäckerei wurde das Brot bei Kerzenschein verkauft, unser Gemüsehändler, der sonst immer bis 22 Uhr geöffnet ist, hatte schon geschlossen und in der Fiambreria ('ne Art Käse- und Wurstladen) wurde mir geraten, mich nicht alleine auf der Straße rumzutreiben, sondern möglichst schnell nach Hause zu gehen. Man hatte wirklich das Gefühl, sich in einer Geisterstadt zu bewegen... In den Restaurants wurden die Tische mit Kerzen beleuchtet und an den Supermärkten klebten schon Schilder an den Fenstern mit "Kerzen ausverkauft". Während ich also den stromlosen Abend dazu genutzt habe, im Licht meiner grandiosen, batteriebetriebenen Kopflampe (für die ich nebenbei bemerkt IMMER ausgelacht wurde!) Apfelkuchen gebacken habe, nutzte mein Mitbewohner Simon die Gunst der Stunde und verschönerte die ausgestorbenen Straßen mit seinen "Wandkunstwerken".
Nach 24 stromlosen Stunden wurde dann irgendwann der Hauptstromgenerator repariert, mit dem Erfolg, dass mitten in der Nacht (ca. um 3 Uhr morgens) plötzlich Festbeleuchtung in unserer Wohnung herrschte. Tja, nun haben wir wieder Strom, dafür funktioniert unser Internet seit drei Tagen nicht mehr... So ist das Leben. Am Dienstag soll ein Techniker von der Telefongesellschaft kommen und das Internet reparieren. Mal gucken, ob der wirklich kommt - wir sind gespannt...
Außerdem hatte ich letzte Woche meinen voraussichtlich letzten Chorauftritt mit dem Chor der ökonomischen Fakultät der Universität Buenos Aires, in dem ich seit Oktober letzten Jahres mitsinge. Es war ein Konzert in dem wirklich sehr prächtig gestalteten Hauptsaal der "Casa de la Cultura". Ich hatte sogar ein bisschen Publikum, das endlich einmal Fotos vom Chor machen konnte, da drei befreundete Voluntärinnen zum zugucken gekommen sind. Das war schön! Hinterher haben wir dann noch ein großes, original schwäbisches Spätzleessen bei uns in der WG veranstaltet... wirklich köstlich!
Des Weiteren haben wir neulich das Geburtstagsgeschenk einer Freundin eingelöst und sind mit 'ner Gruppe Mädels in die Oper gegangen. Gegeben wurde Puccinis "Mme Butterfly", eine wunderbar dramatische, herzzerreißende Liebesgeschichte auf italienisch. Und mal wieder habeich die Erkenntnis gewonnen: Weniger ins Kino, dafür mehr in die Oper und ins Theater gehen!
La Paloma läuft nach wie vor großartig! Seit zwei Wochen habe ich einen neuen Kollegen, mit dem ich zusammen die Gruppe der mittleren Kinder leite. Die Zusammenarbeit läuft echt super, die Aktivitäten sind viel organisierter und durchdachter, als in der Arbeit mit meinem alten Kollegen. Izwischen hat auch die WM Einzug in La Paloma erhalten. Ich habe letzte Woche einen riesigen Spielplan mit tausenden kleinen Fähnchen gebastelt, der nun im Comedor (so nennt sich der große Speisesaal) hängt und für ordentlich Gesprächsstoff sorgt. Doch ich merke schon jetzt, dass bei den Argentiniern die Freundschaft beim Thema Fußball echt aufhört. Gestern meinte ich zu einigen Jungs: "Hey, wenn ich morgen Argentinien anfeuere, dann müsst ihr am Sonntag auch für Deutschland die Daumen drücken." Daraufhin wurden mir Sätze entgegen geschleudert wie "Näää, nicht für die Deutschen! Die Deutschen können sowieso nicht vernünftig Fußball spielen!" Mein Kollege und ich nehmen die WM jetzt auch als Anlass, um mit den Kindern ein bisschen zu den verschiedenen Ländern zu arbeiten. Wir werden ganz banale Dinge behandeln: Wo liegt eigentlich Südarfika? Wie sehen die Leute da aus? Ist das 'n armes oder 'n reiches Land? usw... Auf diese Themeneinheiten freue ich mich schon sehr.
Gestern kam meine schwangere Kollegin, deren Baby "Joaquin" heißen wird, und meinte ganz aufgeregt zu mir: "Merle, Merle, mein Mann hat mir erzählt, dass der Trainer der deutschen Nationalmannschaft auch Joaquin mit Vornamen heißt!" Es dauerte eine Weile, bis ich verstanden habe, dass sie von JOACHIM Löw redete und ich ihr daraufhin das Missverständnis erklären konnte ;-)
Ach ja, mittlerweile sind die Wochen echt gezählt und man versucht, noch so viele Sachen zu erledigen, zu sehen, zu machen, zu kaufen wie möglich. Und ich merke schon jetzt, dass ich nicht alles schaffen werde, was ich mir vorgenommen habe. Tja, sieht wohl so aus, als müsste ich noch mal wieder nach Argentinien kommen.
Jetzt verbringe ich allerdings gerade den verregneten Samstagnachmittag damit, mit meinem Laptop in meiner Lieblingskneipe zu sitzen, Cappuchino zu trinken und einwandfrei funktionierendes WLan zu genießen. Demzufolge könnt ihr übrigens auch wieder neue Fotos und vor allen Dingen zwei kleine Videos bewundern, die kleine Ausschnitte unseres WG-Lebens zeigen.
Liebe Grüße ins hoffentlich wärmere Deutschland,
eure Merle

Mittwoch, 26. Mai 2010

Bicentenario und Córdoba

Vergangenes Wochenende war es endlich soweit:
Argentinien wurde 200 Jahre alt!
Anlässlich dieses hohen Geburtstages haben die Argentinier einfach mal zwei ganze Werktage, nämlich Montag und Dienstag zu Feiertagen erklärt. Während dieses langen Wochenendes befand sich die Stadt natürlich im Ausnahmezustand. Die 9 de Julio, eine der Hauptverkehrsstraßen im Zentrum, war für komplette vier Tage gesperrt und in eine riesige Volksfest-Meile verwandelt. Überall waren riesige Bühnen aufgebaut, es gab Festumzüge, Militärparaden und allerlei Aktionsstände zu den einzelnen Provinzen des Landes. Insgesamt hat mich die Atmosphäre und das Erscheinungsbild dieses Volksfestes sehr an die Kieler Woche erinnert, nur 'n paar Nummern größer.
Da dieses ganze Thema "Bicentenario" in diesem Jahr natürlich sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hier in Argentinien dominiert, haben wir auch mit den Kindern in La Paloma zu dem Thema gearbeitet. An einem Tag haben die Kinder sich zum Beispiel im Stil des 19.Jahrhunderts verkleidet. Außerdem haben wir spielerisch mit ihnen erarbeitet, wie die Menschen damals in Argentinien wohl gelebt haben, welche Brufe es damals gab, welche Fortbewegungsmittel, welche Bräuche und welche Gerichte. Natürlich wurde auch behandelt, wie sich die Argentinier im Jahr 1810 ihre Unabhängigkeit von den Spaniern erkämpft haben.
Letzten Freitag wurden dann alle Kinder mit ihren Familien nach La Paloma eingeladen, um gemeinsam das Bicentenario zu feiern. Es wurde gegrillt, köstliches Choripan (scharfe, dicke Wurst im Brötchen) gegessen und gespielt. Außerdem haben sich auch die Familien mit Kleidern der Jahrhundertwende verkleidet und Fotos von sich machen lassen. Insgesamt sind diese Tage, an denen wir Familienfeste in La Paloma ausrichten, immer wahnsinnig wuselig, chaotisch und anstrengend, aber trotzdem auch irgendwie schön und vor allen Dingen familiär. Man merkt oft, wie aufgeregt die Kinder sind, dass ihre Mütter und Geschwister mitbringen dürfen, wie sie mit ihren kleinen Geschwistern auf dem Arm ganz stolz durch La Paloma rennen. Und auch für die Mütter sind diese Veranstaltungen absolute Highlights im täglichen, langweiligen Barrioleben, sie genießen es am Rand gemeinsam Mate zu trinken, Fleisch (!) zu essen und mal selbst von dem Programm, das wir organisieren unterhalten zu werden...
Nachdem ich also Freitag mit dem Familienfest in La Paloma beschäftigt gewesen bin und mir am Samstag das Spektakel in der Innenstadt angeschaut habe, hab ich mich für die verbleibenden drei freien Tage mit einem Schwung anderer Voluntärinnen auf nach Córdoba gemacht. Córdoba ist nach Buenos Aires die zweitgrößte Stadt Argentiniens und liegt 10 Stunden Busfahrt entfernt mitten in den Bergen. Dieser 3-tägige Trip raus aus dem Gewusel der Großstadt hat echt Spaß gemacht, außerdem versuche ich jetzt in meiner letzten Zeit jede Gelegenheit zu nutzen, um noch ein bisschen mehr vom Land kennenzulernen. Nachdem wir also am ersten Tag unser Hostel bezogen hatten, machten wir uns auf richtung Stadtzentrum, wo wir zufällig auf Plakate der Ausstellung "Körperwelten" stießen. So eine einmalige Gelegenheit diese weltweit bekannte und diskutierte Ausstellung zu sehen, ließen wir uns natürlich nicht nehmen. Mir hat sie eigentlich ziemlich gut gefallen. Natürlich sind die dort ausgestellten toten Körper jetzt nicht wahnsinnig schön oder ästhetisch, dafür allerdings sehr interessant anzusehen. Man lernt viel über die menschliche Anatomie, Krankeitsbilder, Organschäden usw.
Den zweiten Tag verbrachten wir dann mit einem Ausflug in das etwas außerhalb gelegene Bergdörfchen Alta Gracia, um das dortige Che Guevara-Museum zu besuchen. In dem alten Wohnhaus seiner Familie, wo er den Großteil seiner Kindheit verbrachte, ist eben heute ein Museum, in dem lauter Fotos, Gegenstände und Gemälde zum Leben und Wirken des Revolutionärs ausgestellt werden. Auch diese Ausstellung hat mir wirklich gut gefallen, da man als Besucher einfach nur durch das kleine, idyllische Landhäuschen schlendert, sich die Exponate mehr zufällig ansieht und daher gar nicht unbedingt das Gefühl hat, in einem Museum zu sein. Außerdem wurde dadurch, dass man primär Dinge über die Kindheit und Jugend von ihm informiert wird, das heroische Bild des Revolutionärs und der weltweit herrschende Che Guevara-Kult etwas relativiert, fand ich.
Da zwei Mädels von uns unbedingt die Gelegenheit der für's Reiten bekannten Berglandschaften in der Umgebung von Córdoba nutzen wollten, ließen Lisa und ich, beide eher blutige Anfängerinnen im Umgang mit Pferden, uns am letzten Tag noch dazu breitschlagen, an einem Reitausflug teilzunehmen. Nach einer Stunde hubbeliger Autofahrt durch die Berge endlich am Zielort angekommen, eröffnete unser Guide uns beim Begrüßungs-Mate-trinken, dass die Pferde mit denen er arbeitet, eigentlich alles Wildpferde sind, die frei im Campo rumlaufen, sich völlig selbst versorgen und eigentlich auch niemandem wirklich gehören. Er habe die sie allerdings natürlich schon zugeritten, sodass wir keine Angst zu haben bräuchten. Nachdem ich dann irgendwann meine erste Scheu vor den Tieren überwunden und mich mit dem mir zugeteilten Pferd angefreundet hatte, gelang es mir sogar, den Ausflug zu genießen. Dreieinhalb Stunden sind wir querfeldein durch das Gelände geritten, alles vor der malerischen Kulisse der Anden. Das war wirklich wunderschön! Am Ende bin ich sogar ein paar mal galoppiert (ohne runterzufallen!). Abgerudet wurde der Tag dann noch mit einem leckeren Asado in der letzten warmen Herbstsonne. Danach hatte ich zwar einen Sonnenstich, Muskelkater im Popo und ein viel zu großes Loch in meinem Geldbeutel, war aber auch sehr stolz und zufrieden. Wir waren auch alle so fertig hinterher, dass wir auf der Rückfahrt nachts im Bus so tief schliefen, dass wir am nächsten Morgen beinahe unsere Ankunft am Retiro verpasst hätten, wenn die Busfahrer uns nicht geweckt hätten.
Also, ham wa wieder viele, wertvolle Erfahrungen in den letzten Tagen gesammelt!
Im neuen Fotoalbum gibt's 'ne Menge abenteuerlicher Bilder zu bewundern.
In diesem Sinne: Viva Argentina!
eure Merle

Donnerstag, 20. Mai 2010

un pocito de todo :)

(von allem ein bisschen)

Lang lang ist's her, dass ich gebloggt habe. Daher wird es mal wieder Zeit, von den schönen Seiten meinen argentinischen Lebens hier zu berichten.
Mittlerweile sind meine Tage gezählt, in zwei Monaten sitze ich schon wieder im Flieger richtung Heimat. Daher versuche, die letzten Wochen hier umso intensiver zu erleben und dabei wird mir so langsam bewusst, was ich in Deutschland alles vermissen werde. Angefangen bei ganz alltäglichen Situationen auf der Straße...
Neulich war ich zum Beispiel mit einer Freundin auf der Feria in Mataderos unterwegs, als sich mir auf einmal ein kleiner, korpulenter Herr höheren Alters in den Weg stellte. Da er aus irgendeinem Grund nicht sprechen konnte, kommunizierte er in Zeichensprache. Er zeigte zuerst auf meine Augen, griff sich dann theatralisch ans Herz und täuschte einen Herzinfarkt vor... Danach gab er mir die Hand, drehte sich um und ging wieder. Ich glaube, so ein schönes Kompliment habe ich lange nicht bekommen :)
Eine andere, durchaus typische Situation unseres WG-Lebens ereignete sich vergangenes Wochenende. Als Simon zufällig eine Jeans von Jonas, die über einem Stuhl hing, hoch hob, kullerte aus Jonas' Hosentasche mein seit langem vermisster Labellolippenstift (aus Deutschland! daher so heiß begehrt) hervor... Als ich Jonas dann etwas zerknirscht, fragend anguckte, war sein Kommentar nur: "Dies ist einer der Momente, in denen man am liebsten im Boden versinken würde!"
Da eine meiner Kolleginnen für längere Zeit krank geschrieben ist, betreue ich zur Zeit die Gruppe der "Pekes", der ganz Kleinen, mit. Die Mehrheit der Kinder hat erst vor kurzem in La Paloma angefangen, sodass für sie vieles noch neu und aufregend ist. Für mich ist es super krass zu sehen, wie verschieden die Kinder der Gruppe sind. Alle sind zwischen 4 und 6 Jahren alt, kommen aber natürlich aus unterschiedlichen Familienverhältnissen. So kann zB ein 4-jähriger Junge, der schon seit einem Jahr in den Kindergarten geht und aus einer halbwegs strukturierten Familie kommt problemlos alle Farben und Tiere auseinander halten, während ein anderes Kind selben Alters, das jedoch nie in irgendeiner sozialen Einrichtung gewesen ist, einen Tiger noch als Vogel bezeichnet und auch Schwierigkeiten hat, sich den Unterschied für längere Zeit zu merken. Anhand solcher Situationen merkt man schnell, wo bei den Kindern Lücken sind und woran man mit ihnen arbeiten kann. Das macht Spaß! Außerdem sind die Kleinen einfach auch sehr sehr süß und ich merke, wie schnell sich eine Bindung zu ihnen aufbauen lässt. Klar, der Niedlichkeitsfaktor ist in dem Alter halt ziemlich hoch! Gerade mit einem 4-jährigen Mädchen, nennen wir sie Moni, erlebe ich zur Zeit eine herzzerreißende Situation nach der anderen. Neulich hat sie beispielsweise beim Duschen Schaum in die Augen bekommen und fing natürlich fürchterlich an zu weinen. So stand sie ganz verzweifelt unter dem laufenden Wasser und rieb sich hilflos die Augen, wodurch das Shampoo aber nur noch tiefer ins Auge geriet. Da sie partout nicht mit sich reden ließ, hab ich irgendwann ihren Kopf in den Nacken gelegt und ihr den Schaum vom Gesicht gespült. Nachdem dann endlich alles weg war, traute sie sich aber immer noch nicht die Augen wieder aufzumachen, daher griff sie einfach blind aus der Dusche heraus, ergriff das erste Stück Stoff, dass sie zu fassen bekam und putzte sich ihre vom vielen Weinen schnodderige Nase an meinem Pullover ab. So dankt einem eine 4-jährige also die dramatische Rettung ihres Augenlichts ;-) Doch eigentlich mag ich die tägliche halbe Stunde mit den Kindern im Bad sehr gerne. Das sind immer schöne, zutrauliche Momente voller Handtuch-Kuscheleien, Strumpfhose anziehen und Schleife binden üben.
An einem anderen Tag beobachtete ich, wie die kleine Moni irgendetwas kaute, während sie gerade mit den anderen Kindern Ticker spielte. Als ich sie fragte, was sie denn da im Mund hatte, spuckte sie auf einmal ein Puzzleteil aus. Da holte ich mir die Kleine auf den Schoß und erklärte ihr, dass so etwas nicht geht. Sie wisse doch schließlich, dass man Puzzleteile nicht essen kann und dass man sich nicht einfach Dinge in den Mund steckt. Sie sei ja schließlich kein Baby mehr, außerdem fehle dem Puzzle jetzt ein Teil. Während ich so mit ihr redete, füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie konnte mir vor lauter schlechtem Gewissen gar nicht mehr ins Gesicht gucken. Das zerriss mir in dem Moment echt fast das Herz! Ich hab sie dann in den Arm genommen, ihr gesagt, dass ich nicht böse auf sie sei und dass sie nur aufpassen solle, nicht wieder Puzzleteile zu essen. Dann spielten wir noch 'ne Runde "Hoppe hoppe Reiter" (mittlerweile kann Moni sogar den Text auf Deutsch (!) mitsingen) und danach war alles wieder in Ordnung... Oh Gott, ich merke selbst, wie belanglos diese Geschichten im Vergleich zu meinen alten Beiträgen erscheinen, doch solche Dinge prägen nun mal irgendwie meine Zeit hier, was mir gerade in Anbetracht meiner davonlaufenden verbleibenden Wochen immer bewusster wird. Diese Momente in La Paloma möchte ich um nichts in der Welt missen!
Noch in derselben Woche, habe ich eine Kollegin zu Hause besucht. Da sie und ihr Mann gerade ihr erstes Kind erwarten, sind sie zur Zeit fleißig am Zimmer renovieren, was sie mir gerne zeigen wollte. Der Besuch in ihrem Häuschen war irgendwie beeindruckend für mich. Eine ganz süße, kleine Casita auf nur einer Etage mit insgesamt 3 Zimmern. Alles war sehr sauber und liebevoll eingerichtet... echt schön und gemütlich! Auf dem Nachhauseweg verglich ich allerdings die Wohnsituation meiner Kollegin und ihrer Familie, die ich als typische argentinische Mittelschicht bezeichnen würde, mit der Wohnsituation in der ich groß geworden bin... Wir als 4-köpfige "Mittelstandsfamilie" aus Deutschland hatten ein 4-stöckiges Reihenhaus, Garten, Auto, Fahrräder usw... Meine Kollegin hat dagegen dieses Jahr auf ihren Sommerurlaub verzichten müssen, um das vielleicht 10m² große Kinderzimmer renovieren zu können.

So, das war's für's erste. Kommendes Wochenende fahre ich für drei Tage mit ein paar Mädels nach Córdoba, die zweitgrößte Stadt Argentiniens. Danach berichte ich wieder neu.
Liebste Grüße aus dem herbstlichen Buenos Aires,
eure Merle

Dienstag, 27. April 2010

Paloma-Geschichten

Mal wieder ein paar Geschichten aus dem paloma'schen Alltag:
(Namen wie immer alle geändert)

Letzten Donnerstag ist ein 8-jähriger Junge aus mener Gruppe, der sonst eigentlich immer zu La Paloma kommt, nicht erschienen. Als ich seine große Schwester gefragt habe, wo denn ihr Bruder stecken würde, antwortete sie mir, er wäre mit seiner Mutter bei einer "Piquete". Da ich das Wort nicht kannte, fragte ich bei meinem Kollegen nach, der mir folgendes erklärte:
In den Barrios, in denen die Kinder wohnen, gibt es vielerlei politische und gesellschaftliche Organisationen, die zu klein, zu radikal und zu unprofessionell sind, um als offizielle Partei / Verein / Club / Gesellschaft eingetragen zu werden. Da sie ihrem politischen Protest aber dennoch irgendwie ausdruck verleihen wollen, rufen sie regelmäßig zur Piquete auf. Bei dieser Piquete versammeln sich dann die Leute der Organisation und sperren beispielsweise eine Straße ab, stecken Autos in Brand oder besetzen öffentliche Gebäude. Um dem Protest mehr Ausdruck zu verleihen, rufen sie im Barrio zur Unterstützung auf, allerdings mit der Ansage, wenn eine Familie zur Piquete kommt und den Aufstand unterstützt, kriegen sie dafür Geld - und je mehr Leute sie mitbringt, desto mehr Geld gibts. Tja, auch das ist für die meist armen Familien aus den Barrios eine Möglichkeit Geld zu verdienen. Nur blöd, dass die kleinen Kinder da schon mit hin müssen und folglich an dem Tag mal wieder die Schule verpassen. Des Weiteren wurde mir erzählt, dass die Organisationen für Jugendliche ab 14/15 Jahren eine andere Bezahlung für die Teilnahme an der Piquete anbieten: Wer kommt und auch ordentlich Krawall macht bekommt hinterher 50 Peso und eine Tüte Kokain. So viel zum Thema "politische Freiheit" in Argentinien - man muss sich seine Anhänger mit Geld und Drogen erkaufen...

Ein weiteres Beispiel zum Leben in den Barrios:
Vergangenen Freitag habe ich mich eine Stunde von den Kindern abgesetzt, um eine Aktivität vorzubereiten. Ich hatte Fotos von den Kindern entwickeln lassen und wollte diese mit ihnen schön bebasteln, um sie dann im Salon aufzuhängen. Da ich es ein bisschen besonders machen wollte, schrieb ich die Namen der Kinder mit Zitronensaft unter die Fotos. Kennt ihr diese Methode der "Zauberschrift"? Wenn man etwas mit Zitronensaft auf das Papier schreibt und dies dann über eine Kerze hält, erscheint das Geschriebene wie von Zauberhand auf dem Papier. Auf jeden Fall schloss ich mich mit den Fotos, einer Kerze und einer Zitrone in einem Raum ein, um die Bastelei in Ruhe vorzubereiten. Außerdem sollten die Kinder ja noch nicht sehen, was wir später machen werden. Dies bekam der 11-jährige Fernando mit. Er wurde neugierig, was ich dort wohl in dem Raum machen würde und hämmerte wie wild an die Tür. Nachdem er mich lange genug genervt hatte, öffnete ich die Tür, um ihm zu sagen, dass er nun bitte verschwinden sollte. Doch kaum war die Tür offen, stüzte Fernando herein. Als er sah, was ich ausgebreitet hatte, fegte er alles mit einem Wisch vom Tisch. Ich dachte ich guck nicht richtig !! In so einem Moment an sich zu halten, Ruhe zu bewahren und das Kind nicht einfach laut zu beschimpfen, ist echt schwierig sag ich euch... Auf jeden Fall bin ich böse geworden und hab Fernando rausgeschmissen, allerdings mit der Ansage, dass wir darüber später noch reden werden. Kurze Zeit später, nachdem ich wieder alles aufgeäumt und den Salon aufgeschlossen hatte, kam er wieder. Er nahm sich Palstikchips aus einem Spielkarton und fing ohne Grund an, mich mit diesen Chips zu bewerfen... Ich weiß zwar, dass der Junge aus einer schwierigen Familie kommt, Drogen konsumiert und eben gerne provoziert und ärgert, um seinem Frust Luft zu machen, aber das wir mir in dem Moment zu viel. Ich rief meine Kollegin zur Hilfe, die das Geschehen an dem Tag miterlebt hatte und Fernando eine ordentliche Standpauke hielt. Muss auch mal sein... Später erfuhr ich jedoch etwas von meiner Kollegin, was mich die ganze Situation besser verstehen lässt:
In den Barrios gibt es neben den politischen Organisationen seit neustem auch religiöse Gemeinschaften. Diese Gemeinschaften sind zwar an die katholische Kirche angelehnt, haben aber eine weitaus spirituellere Ideologie. Sie laden regelmäßig zu Gottesdiensten und Kulto-Sitzungen ein, bei denen dann in einer etwas ominösen Art und Weise gebetet wird... Eben auch mit Kerzen, Räucherstäbchen, Wodoo und dem ganzen Kram. Ich will diese religiösen Verbände jetzt nicht direkt als Sekten betiteln, aber so ein bisschen fanatistisch, skurril ist die Sache schon. Bei den Zuständen, die im Barrio herrschen (Perspektivlosigkeit, Armut, Gewalt, Drogen, Langeweile...) ist es auch kein Wunder, dass die Menschen sich von solchen religiösen Treffen mitreißen lassen. Dort finden sie Trost, Zusammenhalt und immerhin irgendeine Beschäftigung...
Viele Mütter deren Kinder zu La Paloma kommen, nehmen an solchen Gebetsstunden teil, so auch die Mutter von Fernando. Allerdings merkt Fernando, dass das irgendwie komisch ist und dass seine Mutter sich ein bisschen verändert. Naja, und als er mich an diesem Tag sah, wie ich mich mit einer Kerze und den Fotos in einem Raum einschloss, dachte er im ersten Moment, ich würde da drinnen irgendeinen Hokuspokus veranstalten und die Kinder verfluchen. Nachdem ich und meine Kollegin dieses Missverständnis aus der Welt geschafft hatten, war er auch bereit, sich bei mir zu entschuldigen. Natürlich ist all das keine Entschuldigung dafür, wie respektlos er sich mit gegenüber verhalten hat, aber es macht die ganze Sache etwas leichter nachvollziehbar...

La Paloma selbst liegt am äußeren Rand eines Barrios in San Justo. Ein großes Problem dort sind die vielen freilaufenden Hunde, die keinen Besitzer haben, sich auf der Straße rumtreiben und nicht selten Tollwut haben. Neulich wurde ein 6-jähriger Junge auf dem Weg zu La Paloma von einem Hund in die Schulter gebissen. Da die Kinder hier meistens nicht gegen Taetanus geimpft sind, haben wir sicherheitshalber den Notarzt gerufen, damit die Wunde professionell gereinigt wird. Als wir die Besitzer des Hundes (der besagte Hund war nämlich nicht herrenlos), die im Barrio wohnen, baten, die Kosten für den Notarzt zu übernehmen, meinten sie nur, dass sie dafür kein Geld hätten und warum wir die Kinder überhaupt auch so alleine, mitten auf der Straße herumlaufen lassen würden... Damit war das Thema dann für die Leute erledigt. Noch hat meine Chefin nicht entschieden, ob sie anwaltlich gegen die Leute vorgehen will oder nicht. Insgesamt geht es ihr weniger um die Arztkosten, als darum, dass die beiden Hunde der Leute angeleint werden, da neulich schon mal der Postbote attackiert wurde.

Dann ist noch etwas sehr Hässliches letzte Woche passiert... Dazu vorab folgende Erklärung: Der 9-jährige Rodrigo ist 'n kluges Kerlchen, ist normal entwickelt und macht allgemein keine großen Schwierigkeiten. Er geht morgens von 8 bis 12 in die Schule und verbringt den Nachmittag dann in La Paloma. Seit Beginn dieses Schuljahres muss er zusätzlich seinen Brüdern bei der Arbeit helfen, um Geld für die Familie zu verdienen. Daher zieht er um 17 Uhr, wenn La Paloma zu ende ist, noch bis 21 Uhr mit dem Karren los und sammelt Papier, Pappe und sonstige wieder verwertbare Dinge. Darin besteht übrigens die einzige Arbeit vieler armer Leute: Sie ziehen abends mit ihrem „Carro“ durch die Straßen und suchen im Abfall, den die Leute auf die Straße gestellt haben, nach nützlichen Dingen, die sie dann an extra dafür angelegte Sammelstellen verkaufen. Wenn Rodrigo und seine Brüder abends nicht genug Geld nach Hause bringen, kriegen sie Ärger von ihrem Vater. Dies war letzte Woche der Fall. Hinzu kam, dass Rodrigo an dem Tag auch noch eine Notiz von seiner Lehrerin in der Schulmappe hatte, dass er in letzter Zeit öfter keine Hausaufgaben gehabt hätte. (Klar, wann soll der Junge denn noch Hausaufgaben machen, wenn er 14 Stunden am Tag unterwegs ist und arbeitet ?!) Als der alkoholabhängige Vater davon Wind bekam, schlug er Rodrigo so grün und blau, dass er am nächsten Tag nicht an unserem geplanten Theaterausflug teilnehmen durfte, weil er Wunden im Gesicht und am Rücken hatte und sich nicht mehr richtig bewegen konnte. Den Rest der Woche ging er weder zur Schule noch zu La Paloma. Mich hat die Geschichte an dem Tag sehr mitgenommen, ich hatte eine unglaubliche Wut auf den Vater! Wie kann man seinem Kind so etwas antun???? Wie kann man sein Kind so misshandeln, ihm so einen besonderen Tag kaputt machen? Wie kann man dem Kind und der ganzen Familie ein solches Trauma bereiten?

Doch es gibt auch schöne, problemfreie Tage in La Paloma, so wie heute zum Beispiel: Heute haben wir Rodrigos 10.Geburtstag nachgefeiert. Er bekam ein Paar neue Adidas-Turnschuhe und eine Trainingsjacke vom TSV Russee (beides Sachen, die Freunde meiner Eltern gespendet hatten). Als er die Sachen während der Merienda im großen Comedor auspackte, rief er "Uhhhhh, re piola!" (also so viel wie: "wie geil!") und zum Glück passten die Sachen auch wie angegossen.
Außerdem war heute ein Mädchen von unseren Jugendlichen mit ihrem 3-monate alten Baby zu Besuch in La Paloma... Während die 17 Jahre junge Mama endlich mal wieder Zeit mit ihren Freunden verbringen konnte, hab ich mich um die Kleine gekümmert. Irgendwann ist sie dann auf meinem Arm eingeschlafen und hat vor sich hingeträumt. Ach Mensch, so Babys haben schon was... so süß und friedlich! Aber keine Angst: Ich kann mir meine Muttergefühle noch für später aufheben ;-)

Das war mal wieder ein kurzer Einblick in das, was ich in La Paloma so erlebe und wie ich daraus lerne.
Des Weiteren habe ich meinen dritten Zwischenbericht online gestellt (siehe rechte Spalte), in dem ich noch mehr über derlei Dinge berichte.
Ich hoffe euch geht's gut. Hasta luego muchachos!