Donnerstag, 20. Mai 2010

un pocito de todo :)

(von allem ein bisschen)

Lang lang ist's her, dass ich gebloggt habe. Daher wird es mal wieder Zeit, von den schönen Seiten meinen argentinischen Lebens hier zu berichten.
Mittlerweile sind meine Tage gezählt, in zwei Monaten sitze ich schon wieder im Flieger richtung Heimat. Daher versuche, die letzten Wochen hier umso intensiver zu erleben und dabei wird mir so langsam bewusst, was ich in Deutschland alles vermissen werde. Angefangen bei ganz alltäglichen Situationen auf der Straße...
Neulich war ich zum Beispiel mit einer Freundin auf der Feria in Mataderos unterwegs, als sich mir auf einmal ein kleiner, korpulenter Herr höheren Alters in den Weg stellte. Da er aus irgendeinem Grund nicht sprechen konnte, kommunizierte er in Zeichensprache. Er zeigte zuerst auf meine Augen, griff sich dann theatralisch ans Herz und täuschte einen Herzinfarkt vor... Danach gab er mir die Hand, drehte sich um und ging wieder. Ich glaube, so ein schönes Kompliment habe ich lange nicht bekommen :)
Eine andere, durchaus typische Situation unseres WG-Lebens ereignete sich vergangenes Wochenende. Als Simon zufällig eine Jeans von Jonas, die über einem Stuhl hing, hoch hob, kullerte aus Jonas' Hosentasche mein seit langem vermisster Labellolippenstift (aus Deutschland! daher so heiß begehrt) hervor... Als ich Jonas dann etwas zerknirscht, fragend anguckte, war sein Kommentar nur: "Dies ist einer der Momente, in denen man am liebsten im Boden versinken würde!"
Da eine meiner Kolleginnen für längere Zeit krank geschrieben ist, betreue ich zur Zeit die Gruppe der "Pekes", der ganz Kleinen, mit. Die Mehrheit der Kinder hat erst vor kurzem in La Paloma angefangen, sodass für sie vieles noch neu und aufregend ist. Für mich ist es super krass zu sehen, wie verschieden die Kinder der Gruppe sind. Alle sind zwischen 4 und 6 Jahren alt, kommen aber natürlich aus unterschiedlichen Familienverhältnissen. So kann zB ein 4-jähriger Junge, der schon seit einem Jahr in den Kindergarten geht und aus einer halbwegs strukturierten Familie kommt problemlos alle Farben und Tiere auseinander halten, während ein anderes Kind selben Alters, das jedoch nie in irgendeiner sozialen Einrichtung gewesen ist, einen Tiger noch als Vogel bezeichnet und auch Schwierigkeiten hat, sich den Unterschied für längere Zeit zu merken. Anhand solcher Situationen merkt man schnell, wo bei den Kindern Lücken sind und woran man mit ihnen arbeiten kann. Das macht Spaß! Außerdem sind die Kleinen einfach auch sehr sehr süß und ich merke, wie schnell sich eine Bindung zu ihnen aufbauen lässt. Klar, der Niedlichkeitsfaktor ist in dem Alter halt ziemlich hoch! Gerade mit einem 4-jährigen Mädchen, nennen wir sie Moni, erlebe ich zur Zeit eine herzzerreißende Situation nach der anderen. Neulich hat sie beispielsweise beim Duschen Schaum in die Augen bekommen und fing natürlich fürchterlich an zu weinen. So stand sie ganz verzweifelt unter dem laufenden Wasser und rieb sich hilflos die Augen, wodurch das Shampoo aber nur noch tiefer ins Auge geriet. Da sie partout nicht mit sich reden ließ, hab ich irgendwann ihren Kopf in den Nacken gelegt und ihr den Schaum vom Gesicht gespült. Nachdem dann endlich alles weg war, traute sie sich aber immer noch nicht die Augen wieder aufzumachen, daher griff sie einfach blind aus der Dusche heraus, ergriff das erste Stück Stoff, dass sie zu fassen bekam und putzte sich ihre vom vielen Weinen schnodderige Nase an meinem Pullover ab. So dankt einem eine 4-jährige also die dramatische Rettung ihres Augenlichts ;-) Doch eigentlich mag ich die tägliche halbe Stunde mit den Kindern im Bad sehr gerne. Das sind immer schöne, zutrauliche Momente voller Handtuch-Kuscheleien, Strumpfhose anziehen und Schleife binden üben.
An einem anderen Tag beobachtete ich, wie die kleine Moni irgendetwas kaute, während sie gerade mit den anderen Kindern Ticker spielte. Als ich sie fragte, was sie denn da im Mund hatte, spuckte sie auf einmal ein Puzzleteil aus. Da holte ich mir die Kleine auf den Schoß und erklärte ihr, dass so etwas nicht geht. Sie wisse doch schließlich, dass man Puzzleteile nicht essen kann und dass man sich nicht einfach Dinge in den Mund steckt. Sie sei ja schließlich kein Baby mehr, außerdem fehle dem Puzzle jetzt ein Teil. Während ich so mit ihr redete, füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie konnte mir vor lauter schlechtem Gewissen gar nicht mehr ins Gesicht gucken. Das zerriss mir in dem Moment echt fast das Herz! Ich hab sie dann in den Arm genommen, ihr gesagt, dass ich nicht böse auf sie sei und dass sie nur aufpassen solle, nicht wieder Puzzleteile zu essen. Dann spielten wir noch 'ne Runde "Hoppe hoppe Reiter" (mittlerweile kann Moni sogar den Text auf Deutsch (!) mitsingen) und danach war alles wieder in Ordnung... Oh Gott, ich merke selbst, wie belanglos diese Geschichten im Vergleich zu meinen alten Beiträgen erscheinen, doch solche Dinge prägen nun mal irgendwie meine Zeit hier, was mir gerade in Anbetracht meiner davonlaufenden verbleibenden Wochen immer bewusster wird. Diese Momente in La Paloma möchte ich um nichts in der Welt missen!
Noch in derselben Woche, habe ich eine Kollegin zu Hause besucht. Da sie und ihr Mann gerade ihr erstes Kind erwarten, sind sie zur Zeit fleißig am Zimmer renovieren, was sie mir gerne zeigen wollte. Der Besuch in ihrem Häuschen war irgendwie beeindruckend für mich. Eine ganz süße, kleine Casita auf nur einer Etage mit insgesamt 3 Zimmern. Alles war sehr sauber und liebevoll eingerichtet... echt schön und gemütlich! Auf dem Nachhauseweg verglich ich allerdings die Wohnsituation meiner Kollegin und ihrer Familie, die ich als typische argentinische Mittelschicht bezeichnen würde, mit der Wohnsituation in der ich groß geworden bin... Wir als 4-köpfige "Mittelstandsfamilie" aus Deutschland hatten ein 4-stöckiges Reihenhaus, Garten, Auto, Fahrräder usw... Meine Kollegin hat dagegen dieses Jahr auf ihren Sommerurlaub verzichten müssen, um das vielleicht 10m² große Kinderzimmer renovieren zu können.

So, das war's für's erste. Kommendes Wochenende fahre ich für drei Tage mit ein paar Mädels nach Córdoba, die zweitgrößte Stadt Argentiniens. Danach berichte ich wieder neu.
Liebste Grüße aus dem herbstlichen Buenos Aires,
eure Merle

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