Montag, 15. März 2010

... von coolen Kids und coolen Omas

Nach langer, langer Zeit melde ich mich zurück in der Welt der internetaktiven Menschen. Entschuldigt die lange Funkstille, aber ihr wisst ja wie das ist...
Als erstes möchte ich von unserem Campamento in Mar de Ajó, einem kleinen Ort an der Südküste Argentiniens, berichten.
Letzte Woche ist also ganz (!) La Paloma, alle Kinder, alle Jugendlichen und alle Mitarbeiter, für vier Tage auf's Campamento gefahren, welches für mich in vielerlei Hinsicht sehr lehrreich war (noch mal zur Erklärung: ein Campamento ist quasi wie ne Klassenfahrt, ein Ferienlager, ein großer Ausflug...).
Es ging damit los, dass vorher die Ansage gemacht wurde: Wir treffen uns alle am Donnerstagmorgen um 7 Uhr in La Paloma zur Abfahrt. Wer ist natürlich um halb 6 morgens aufgestanden, hat sich im Halbschlaf zum Bus geschleppt, um dann um Punkt 7 in La Paloma zu sein ?? Richtig: die naive, deutsche Voluntärin! Und wer war noch um Punkt 7 dort? Richtig: niemand !! (von dem kleinen, kleffenden Hund, der im Projekt wohnt mal abgesehen) Meine Mitarbeiter trudelten dann irgendwann gegen viertel vor 8 ein und die Kinder kamen sowieso alle ne Stunde zu spät. Hätte ich mir eigentlich auch vorher denken können, dass ein Treffen um 7 Uhr morgens von Argentiniern angesetzt unmöglich ernst gemeint sein kann und demzufolge auf keinen Fall wörtlich genommen werden sollte. Naja, wieder was gelernt.
Auf der Fahrt nach Mar de Ajó, was übrigens wörtlich übersetzt "Meer des Knoblauchs" heißt (kommt daher, weil die Bauern in der Gegend ihren Knoblauch im Meer auswaschen, bevor sie ihn verkaufen - kein Scherz!), konnte ich dann zum Glück noch ein bisschen Schlaf nachholen. Leider zog sich die Fahrt unglaublich in die Länge, sodass wir für eine Strecke von 380 km alles in allem sechs Stunden unterwegs waren. Hinzu kam, dass acht unserer insgesamt über vierzig Schützlinge sich während der Fahrt übergeben mussten, da sie einfach nicht an Reisen in einem Doppeldeckerbus, in dem es hin und wieder auch mal schaukelt, gewöhnt sind. Die Hinfahrt war also für alle ziemlich strapaziös. Umso größer war daher die Freude, als wir dann endlich in Mar de Ajó ankamen und es auch direkt zum Strand ging. Das war ein Spaß !!!! Ich glaub, ich hab die Kinder noch nie so euphorisch und ausgelassen erlebt, wie an dem Tag. Man muss dazu allerdings wissen, dass die große Mehrheit von ihnen zuvor noch nie das Meer gesehen hat, was für so n Kieler Deern wie mich, die ja praktisch am Surendorfer Strand groß geworden ist, vorher schwer vorstellbar war. Auf jeden Fall haben wir den Tag damit verbracht, über die Wellen zu hüpfen, Sandburgen zu bauen und Strandfußball zu spielen. Es ist übrigens sehr lustig zu sehen, wie sich Kinder im Angesicht des "sooo gefährlichen, reißenden Meeres" verändern. Während unsere Kleinste, die diesen Sommer gerade mal im Pool schwimmen gelernt hat, todesmutig nach vorne prescht und mit ihrem großen Bruder durch die Wellen taucht, klammern sich zwei von den sonst so coolen Jungs vor lauter Angst an meine Oberarme, weil ihnen das Wasser schon bis zu den Knien steht. Insgesamt war es einfach ein ganz toller Tag, der die Kinder in einem anderen Element, einem anderen Licht hat erscheinen lassen.
Zu dem Ort, wo wir mit allen untergebracht waren (einer Art Schullandheim an das wir über die Familie einer Mitarbeiterin gelangt sind), muss ich sagen, dass das Ding wahrscheinlich keiner deutschen Hygiene- Sichherheits- oder sonst was- Kontrolle standgehalten hätte: 7-Personenzimmer auf einer Fläche von vielleicht fünf Quaratmetern, morsche, dreistöckige Bettgestelle, Badezimer voller Dreck und Spinnweben, Kakerlakennester unter der Spüle, schimmelige Decken, Türen und Fenster... von den durchgelegenen, mit Ungeziefer verseuchten Schaumstoffmatratzen ganz zu schweigen. Trotzdem waren die Kinder völlig begeistert von dem Ort und fingen direkt an, ihre paar Habseligkeiten in den feuchten Schubladen ihrer Zimmer zu verstauen. Ein Mädchen hat sogar noch mal nachgefragt, ob es richtig ist, dass sie ein ganzes Bett für sich alleine hat und ob sie das wirklich nicht mit jemandem teilen müsste. Diese Reaktionen der Kinder lassen irgendwie darauf schließen, wie die Umstände wohl bei ihnen zu Hause sind, wenn sie auf die morschen Zustände in dem Heim schon so positiv reagieren. Aber vielleicht setze ich da meine europäischen Standard gewohnten Maßstäbe auch etwas hoch an...

Auf jeden Fall hielt sich die gute Stimmung. Abends wurden wir vom örtlichen Kinobetreiber, der ein Jugendfreund eines Mitarbeiters ist (tja, es läuft halt alles über Beziehungen heutzutage - auch in Argentinien!) ins Kino eingeladen und haben die neue Verfilmung von "Alice im Wunderland" mit Jonny Depp gesehen. Sehr süß war das, auch wenn die Hälfte der Kinder während des Films eingeschlafen ist. Strand, frische Luft, viele neue Sachen - das macht halt müde!
Leider wurde die gute Laune von allen am letzten Abend etwas getrübt, als plötzlich im Eifer des Gefechts die Kamera von La Paloma verschwunden ist. Mich hat am meisten beeindruckt, wie meine Mitarbeiter in diesem Moment mit der heiklen Situation umgegangen sind. Keiner ist böse, panisch oder laut geworden, sondern es wurde ganz ruhig und sachlich erklärt, was passiert war und das man nun gemeinsam die Kamera suchen müsste. Als sie auch nach einer zweistündigen Suchaktion, bei der das ganze Gelände auf den Kopf gestellt wurde, nicht aufgetaucht ist, herrschte allgemein eine verärgerte, traurige Stimmung. Es wurde von seiten der Mitarbeiter an das Gewissen der Kinder und Jugendlichen appelliert, dass, falls einer die Kamera haben sollte, er sie doch bitte auf irgendeinem Wege zurück geben sollte, da die Kamera das Eigentum aller sei und man somit alle sowohl um die Kamera als auch um den ideellen Wert der Fotos bestohlen hätte. Leider ist die Kamera bis jetzt noch nicht wieder aufgetaucht... es bleibt zu hoffen!
Totz dieses unschönen Ereignisses am Ende, war es jedoch ein tolles, lebendiges Campamento, das wir gemeinsam am Meer verbringen durften und das hoffentlich einen guten Start in ein weiteres Jahr La Paloma bringt!

Ein weiteres Highlight der letzten Wochen war außerdem das Konzert von Coldplay im großen Riverplate-Fußballstadion !! Echt irre !! Eins der besten Konzerte, die ich bisher besucht habe! Obwohl ich vorher gar nicht so ein goßer Coldplayfan war, muss ich sagen, dass mich das Konzert echt beeindruckt hat. Wir standen ganz weit vorne, sodass die wirklich ziemlich krasse Bühnenshow direkt auf uns eingewirkt hat. Das war echt n cooler Abend !! Und schon steht das nächste Konzert auf dem Programm: Nächste Woche geht's zu Nelly Furtado. Ich sag ja: Konzerttechnisch nehm' ich alles mit, was geht! In Deutschland sind die Karten wieder drei mal so teuer...

Tjaaa, und dann war da natürlich noch der Besuch meiner absolut coolen, abenteuerlustigen Omas, die sich zusammen in den Flieger gesetzt haben, um die gemeinsame Enkelin für drei Wochen in Buenos Aires besuchen zu kommen. Das war eine ganz tolle Zeit !! Die beiden haben sich die Standardsachen von Buenos Aires angeguckt, waren unglaublich (!) viel shoppen und haben sich auch noch die Wasserfälle in Iguazú angesehen. Einer der tollsten Tage war für mich definitiv der Besuch meiner Omas in La Paloma. Für mich war es irre zu sehen, wie höflich und zuvorkommend sich meine Rabauken benehmen können, wenn sie wollen. Fast schon wohlerzogen ;) Außerdem kam es natürlich auch gut an, dass die Omas von Merle tonnenweise Gummibärchen und vor allen Dingen Kinderschokolade aus Deutschland mitgebracht haben.
Weitere Highlights waren die Abende bei uns in der Wohnung, an denen meine Omas schön herzhaft für die WG gekocht haben. So haben sie sich mit Gulasch und Gemüseeintopf ganz einfach in die Herzen meiner Mitbewohner geschlichen ;-)
Irgendwie neigten die beiden Damen allerdings dazu, alles zu ersetzen, was ihnen kaputt oder alt vorkam. So gab es - schwupps - einen neuen Fußball für La Paloma und beim armseligen Anblick unserer Blechpfanne neues Teflon (!) -Kochgeschirr für die WG. Echt cool !!
Am besten guckt man sich einfch die Fotos an, die geben einen guten Eindruck von dem Besuch meiner absolut mutigen, fitten Omas!
Auf jeden Fall war es toll, Besuch von zu Hause zu bekommen, alles zeigen zu können und wieder ein bisschen Familie zu spüren. Und zum Glück, geht das mit den tollen Besuchen aus der Heimat gleich weiter, denn in zwei Wochen kommen schon meine lieben Eltern in die Stadt der guten Lüfte - juppiiiie !!
Aber bis dahin, muss ich jetzt erst mal wieder ein bisschen arbeiten, putzen und auf Konzerte gehen.
Macht's gut, lasst euch nicht zu sehr vom grauen Schmuddelwetter die Laune verderben.

Sonnige Grüße aus der Hängematte im Patio sendet euch
Merle


PS: ach ja, eine Neuigkeit habe ich noch: Gestern haben mein Mitbewohner und ich n absolut cooles, retromäßiges Sofa für unsere WG besorgt, so n altes zwei Personen - Sofa mit olivgrünem Lederbezug. Haben wir beim Sperrmüll auf der Straße gefunden :)

2 Kommentare:

  1. oh merlchen diese geschichten und bilder machen einen wirklich nostalgisch...hach...genieß das noch...(krass bei unserem campamento damals ist auch ne kamera am letzten abend veschwunden...wurde aber zurückgegeben, da war ich von den pädgogischen methoden der mitarbeiter auch sehr beeindruckt)...besos a todos....hier will der blöde winter einfach nicht verschwinden...was macht eigentlich dein tangotanzen? anna

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  2. Hallo :))
    Ich bin Kadda aus Freudenstadt in BW und hab auch vor nächstes Jahr ein FSJ in Argentinien zu machen. Dein Blog hat mir mega gefallen und ich würde (vor allem wegen der super geographischen Lage) am liebsten genau an diese Stelle kommen. Deine Entsendeorganisation ist ja das Nordelbische Missionszentrum, jetzt weiß ich nicht ob es in meiner Nähe auch eine Möglichkeit gibt mit dieser Organisation zu la Paloma zu kommen. Vor allem wegen Vorbereitungsseminaren etc, werde ich nicht nach Hamburg fahren können... ich würde mich um ein paar Infos von dir freuen:)
    meine e mail adresse: katharina.steim@googlemail.com

    lieben Gruß
    Kadda

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