Freitag, 13. November 2009

... immer auf Achse

Buenas Noches Todos !!

Ich weiß... Asche auf mein Haupt, dass ich nun schon soooo lange nichts mehr geschrieben habe. Tut mir wirklich leid! Aber ich hatte im letzten Monat wirklich viel zu tun, proppevolle Wochenenden, viele viele neue Dinge... Da hatte ich einfach nicht die Zeit zum Schreiben, aber vor allen Dingen fehlte mir die Ruhe dazu, da man ja irgendwie immer erst einmal selber die ganzen Ereignisse duchdenken und sich setzen lassen muss, bevor man sie zu Texten weiterverarbeitet.
So, dafür aber jetzt. Was ist in den letzten Wochen alles passiert?
Anfang Oktober war ich, trotz meiner sonstigen Abneigung gegen Fußball, mit vier anderen Voluntären bei dem Länderspiel Argentinien gegen Peru. Dieses Spiel war besonders wichtig, da es für Argentinien um die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2010 ging. Insgesamt war der ganze Tag ein super Erlebnis! Bereits auf dem Weg zum Stadion, auf dem wir uns einfach von den MenschenMASSEN haben mitziehen lassen, herrschte eine Megastimmung. Überall hörte man Sprechchöre und Murgatrommeln, die die Menge anheizten. Der große Wow-Effekt kam dann, als wir das Stadion betraten: Ich habe noch nie so ein riesiges Fußballstadion gesehen (wenn doch, kann es nicht so beeindruckend gewesen sein, da ich mich offensichtlich nicht dran erinnere) ! Während die erste Halbzeit eher langweilig war, gestaltete sich die zweite dafür umso spektakulärer. Erst fiel ein Tor (juchu! große Erleichterung in ganz Argentinien), dann fing es auf einmal an, wie aus Kübeln zu gießen und zu gewittern, worauf weder Fans noch Spieler vorbereitet waren. Als dann auch noch Peru ein Tor schoss, glich die Situation dem Weltuntergang - doch dann, in der vorletzten Minute der Nachspielzeit, kam das erlösende 2:1 für Argentinien! Das Stadion tobte und Diego Maradonna hat vor Freude einen Bauchklatscher auf dem schwimmenden Rasen hingelegt, der am nächsten Tag in sämtlichen Zeitungen Argentiniens auf der Titelseite zu bewundern war. Am beeindruckendsten waren für mich die "Sicherheitsvorkehrungen", die bei solchen Fußballspielen gelten. Schon auf dem Hinweg kamen uns ein riesiger Trupp an Polizisten entgegen, die allesamt mit Schlagstöcken und Schusswaffen bewaffnet waren. Außerdem wird auf Fußballtunieren grundsätzlich kein Bier verkauft, da das Gewaltpotenzial anscheinend auch nüchtern schon hoch genug ist... die Schimpftiraden, mit denen die Argentinier ihre peruanischen Gegner beschimpften, hinterließen auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck. Während man auf deutschen Fußballplätzen vielleicht Ausdrücke wie "Schweine" oder "Weichei" hört, legen die Argentinier gleich mit richtig harten Kraftausdrücken los. Hinter mir saß ein kleiner Junge, der mit seinem Vater das Spiel angeschaut hat. Beide, sogar der Kurze, schrien unentwegt "Hijo de Puta" und "Concha de tu madre", als ein peruanischer Spieler verletzt auf dem Rasen lag (ich lasse das an dieser Stelle mal unübersetzt - wen's wirklich interessiert, kriegt's schon irgendwie raus). Ich bin zwar immer noch nicht zum großen Fußballfan geworden (auch wenn sich das Thema hier in Argentinien einfach nicht umgehen lässt...), aber insgesamt war es eine atmosphärisch einmalige Erfahrung!
Am selbsen Wochenende habe ich mit Hannah, einer weiteren Freiwilligen aus BsAs, einen Tagesausflug nach Tigre gemacht. Tigre ist eine wunderschönen Insellandschaft, die sich im Flußdelta des Rio de la Plata, also im Norden von BsAs, befindet. Wir haben eine kleine Bootstour durch's Flußdelta gemacht, die eine oder andere kleine Insel bewandert und einfach die schöne Natur genossen. Man hat sich wirklich gefühlt,als würde man im Dschungel umherwandern... Schon lustig, dass sich so eine kleine, andere Welt nur eine Stunde Zugfahrt von der Riesenstadt BsAs entfernt befindet. Auf jeden Fall hat uns unser Ausflug dorthin so gut gefallen, dass wir uns mal nach Möglichkeiten zur Übernachtung dort erkundigt haben. Und siehe da: Wenn alles glatt läuft, mieten wir mit ein paar anderen Freunden über Weihnachten ein kleines Häuschen am Fluss und feiern dort gemeinsam Weihnachten unter Palmen.
Es geht weiter, ich hab noch mehr Ausflüge unternommen in letzter Zeit:
Ende Oktober bin ich zusammen mit Mitarbeitern aus meinem Projekt für ein Wochenende nach Villa Gessel gefahren. Der kleine Ort liegt an der Südküste Argentiniens und ist ein beliebtes Urlaubsziel der Einheimischen. Man spricht hier auch von "ciudades fantasmas" - zu dt. Geisterstädten, da diese Kleinstädte am Meer im Winter wie menschenleer erscheinen und im Sommer vor lauter Urlaubern und Touristen geradezu explodieren. Zum Glück zählt der Oktober hier noch zum Frühling, weshalb ich wohl so das Mittelstadium erlebt habe. Jedenfalls fand an dem Wochenende eine von der Universität BsAs ausgerichtete Fortbildung für sämtliche Berufe der sozialen Arbeit, Psychotherapie oder Entwicklungshilfe statt. Auch wenn ich lange nicht alle Vorträge, die an diesem Wochenende gehalten wurden verstanden habe, so hat es doch eine Menge Spaß gemacht. Es gab zwischendurch immer mal wieder kleine Workshops zu Themen wie "Kunst & Musik", "Bodyexpression" oder "mediale Arbeit", die ziemlich lustig waren, sobald man die eigene Hemmschwelle erst einmal überwunden hatte. Außerdem ist Villa Gessel wirklich ein wunderhübscher kleiner Ort, der sich eben direkt am Meer befindet. Vielleicht ein bisschen mit Eckernförde vergleichbar... Auf jeden Fall hab ich es genossen, mal wieder am Strand zu sein und mit den Füßen im Meer zu stehen, auch wenn es nicht die Ostsee war ;) Ein weiterer "Erfolg" dieses Wochenendes in Gessel war, dass ich meine Mitarbeiter noch mal näher und besser kennengelernt habe. Wir haben zu siebt in dem dortigen Ferienhaus unserer Chefin gewohnt, viel Musik gemacht, geschnackt, getrunken und natürlich Asado gegessen! Dabei wurde ich quasi dazu genötigt, das argentinische Fleisch in den Himmel zu loben (es war aber auch wirklich sehr lecker!), durfte aber dafür im Gegenzug auch noch ein Plädoyer auf das deutsche Bier halten, denn das ist nun wirklich besser als die Plörre, die sie hier verkaufen. Insofern hat sich das Wochenende auf sprachlicher, kultureller und zwischenmenschlicher Ebene voll gelohnt!
Ein absolutes Highlight der letzten Wochen war außerdem das Konzert der TOTEN HOSEN - jaha, richtig gehört. Aus irgendeinem Grund, ich weiß selbst nicht so genau warum, sind die Toten Hosen hier in Argentinien äußerst bekannt und beliebt. Anfang November traten sie daher im Rahmen eines großen, jährlich stattfindenden Musikfestivals auf. Da wir schon seit langem davon wussten, haben wir es tatsächlich hinbekomen, einen Trupp von über 20 Leuten zusammenzutrommeln, mit denen wir dann auf's Festival gegangen sind. Da es leider an dem Tag geregnet hatte, stand das ganze open air Festivalgelände unter Wasser bzw. Matsch (ich hab am nächsten Tag eine Stunde damit verbracht, den Dreck von meinen Turnschuhen zu schrubben). Doch pünktlich zum Auftritt der Hosen hörte es dann auf zu regnen, sodass ohne Probleme gerockt werden konnte. Im Ernst: Es ist der reinste Wahnsinn, wie die Argentinier abgehen können, wenn sie nur jemand ordentlich anheizt, was Campino weiß Gott geschafft hat. Außerdem war es irgendwie lustig, inmitten einer Masse argentinischer Fans zu stehen, die lauthals die deutschen Texte mitgröhlen können, obwohl sie null Ahnung haben, was da eigentlich gesungen wird. Unter folgendem Link findet ihr übrigens einen kurzen 5-min Bericht des ZDFheute-Journals über das Konzert der Toten Hosen in BsAs: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/878050/Die-Toten-Hosen-in-Buenos-Aires-#/beitrag/video/878050/Die-Toten-Hosen-in-Buenos-Aires

Leider war der Tag auf dem Festival nicht nuuur super. Grundsätzlich wird auf Konzerten hier in Argentinien immer sehr viel geklaut, wovon auch unsere Gruppe nicht verschont blieb. Insgesamt wurden uns zwei Digitalkameras, ein Handy und noch diverser Kleinkram geklaut - einfach so aus der Jackentasche raus, ohne dass man was gemerkt hat. Einer Freiwilligen wurde sogar die Handtasche von unten aufgeschlitzt. Ich hatte zum Glück erst gar keine Wertsachen mitgenommen, sonst wären die jetzt bestimmt ebenfalls weg. Tja, dass ist eben auch Argentinien... ordentlich Party machen, aber dabei auch ordentlich abstauben.
Vergangenes Wochenende sind Hannah und ich gemeinsam für ein paar freie Tage nach Paraguay gefahren, wo wir zwei weitere Voluntäre der IERP, Benny und Nina, in ihrem Projekt besucht haben. Dieser Trip bot sich sowieso an, da wir auf Grund unseres abgelaufenen Einreisestempels ein mal das Land verlassen mussten, um unser Touristenvisum, das halt immer nur drei Monate gültig ist, bei der Rückreise zu erneuern. Am Samstag haben wir Bennys Geburtstag gefeiert und "zufälligerweise" fand gerade an dem Samstag auch noch das große "Chopfest", ein Art Abklatsch vom Oktoberfest im Kleinformat, statt. Es gab Festzelte, Schlagermusik und litterweise labbriges, dafür hochprozentiges Bier. In dieser fröhlichen, ausgelassenen und irgendwie "pseudo-deutschen" Atmosphäre feierten wir dann bis in den Morgen. Insgesamt war der Trip nach Paraguay sehr sehr schön. Es macht immer Spaß, sich mit den anderen Voluntären zu treffen, Erfahrungen auszutauschen und einfach ein bisschen zusammen zu chillen, was wir auch ausgiebigst getan haben. Großteile der Zeit verbrachten wir mit gemeinsamem Kochen, im Pool baden und am Lagerfeuer sitzen. Allerdings haben wir auch einen kleinen Ausflug zu den Ruinen der Jesuitenreduktion in Paaguay gemacht, die heute angeblich Teil des Weltkulturerbes sind.
Was mir insgesamt am meisten gefallen hat, war, Paraguay als Land kennenzulernen, da es sich wirklich komplett von dem, was ich bisher aus Argentinien gewohnt bin, unterscheidet. Die Natur ist ziemlich beeindruckend, überall gibt es saftgrüne Wiesen und rote Erde. Dennoch kann die Schönheit der Natur nicht über die Armut der Menschen hinwegtäuschen. Als wir eine der insgesamt zwei Straßen (kein Scherz: in ganz Paraguay gibt es nur zwei Rutas, die dafür durch's ganze Land führen) langgefahren sind, sah man eine kleine Farm neben der nächsten - und sonst nichts! Die Menschen leben eben mit ihren großen Familien in viel zu kleinen Häusern. Außerdem fehlt, wie mir schien, jegliche infrastrukturelle Versorgung. Wenn man Glück hat, hat man Zugang zu fließendem Wasser und unzuverlässigem Strom. An Telefon- oder sogar Internetleitungen ist für die meisten Menschen gar nciht erst zu denken. Doch trotzdem machten fast alle Menschen, die ich getroffen habe, einen wahnsinnig liebevollen und offenen Eindruck auf mich. Man lebt zwar spartanisch, aber dafür fröhlich und vor allem spontan! In Paraguay hab ich außerdem Dinge erlebt, an die in BsAs überhaupt nicht zu denken wären. So sind wir innerhalb der vier Tage, die wir dort waren, insgesamt drei mal getrampt - Daumen raus, Wagen anhalten und zack: schön zu sechst rauf auf die Ladefläche von so nem PickUp! Alles in allem haben wir also ein äußerst tranquiges (ruhiges) und lustiges Wochenende dort in Hohenau verbracht. Dennoch war ich froh, als wir wieder in BsAs angekommen waren. Zivilisation, Infrastruktur und generell eine gewisse, wenn auch langsame Organisation des öffentlichen Lebens haben schon so ihre Vorteile. Ich bin halt doch irgendwie mehr Stadt- als Landkind...
So, noch kurz ein paar Sätze zur...
- Sprache: läuft immer immer besser! Seit drei Wochen habe ich es dann auch endlich mal geschafft, mir Sprachunterricht zu organisieren, um einfach noch ein bisschen mehr Grammatik zu lernen. Aber mitlerweile habe ich das Gefühl, dass mein Spanisch langsam alltagstauglich wird. Ich bleib am Ball...
- Arbeit: nach wie vor super! La Paloma ist echt ein tolles Projekt, in dem ich immer mehr meinen Platz finde. Die Kinder wachsen mir ans Herz, der Draht zu den Mitarbeitern wird stetig enger und so langsam finde ich Wege, sie nicht nur bei der Arbeit zu unterstützen, sondern mich auch selbst ein bisschen mehr einzubringen. Zum Beispiel werde ich für Dezember einen Adventskalender vorbereiten (so etwas kennen die Argentinier nämlich gar nicht!), an dem die Kinder jeden Tag ein Überraschungssäckchen öffnen dürfen, worin sich dann Geschichten, Süßigkeiten oder andere Kleinigkeiten befinden. Aber davon berichte ich dann das nächste Mal.
- WG: ebenfalls nach wie vor gut. Gerade heute abend fiel der Satz "Wir sind die stylischste WG überhaupt!" Grund dafür war ein weiteres Wandgemälde, das Simon gezaubert hat. Das Zimmer der Jungs ziert jetzt eine überdiensional große Silhouette von Marilyn Monroe im Andy Warhol-Look...

Dale, me voy a la cama (Also, ich geh jetzt ins Bett). Fotos und Videos (!) vom Erzählten sind wie immer im neuen Album zu bewundern. Viel Spaß beim angucken!
Buenas Noches und eine schöne vorweihnachtliche Zeit wünscht euch
*merle*

PS: Wer Interesse an meinem ersten Zwischenbericht hat, den ich vor kurzem für meine Entsendeorganisation, das NMZ, geschrieben habe und in dem ich einen Rundumbericht über meine ersten Monate in Argentinien liefere, soll sich einfach bei mir (merlesievers@web.de) oder meinen Eltern melden, dann wird der ganz locker per Mail zugeschickt.

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