Am kommenden Mittwoch den 24. März ist "Día de la Memoria", ein nationaler Feiertag in Argentinien. An diesem Datum wude vor 34 Jahren, also im Jahre 1976 die damalige Präsidentin Isabel Peron gestürzt und die Militärs übernahmen die Macht in Argentinien - der Beginn der Militärdiktatur!
Der 24. März soll also an die Diktatur und an die währenddessen gestorbenen oder verschwundenen Menschen erinnern.

Heute haben wir Educadores uns zum Beispiel alle in rot/schwarz gekleidet und haben die Gruppe "Los Magio" ins Leben gerufen, die fortan die "Macht" in La Paloma übernahmen. Durch unsere Outfits sahen wir alle sehr uniform aus, wir haben uns einen internen neuen Gruß ausgedacht und in unserer eigenen nasal klingenden Schlumpfensprache geredet.

Die Kinder fanden dieses ganze Showprogramm natürlich in erster Linie witzig, doch es war spannend zu sehen, wie sich die Kinder nach einiger Zeit miteinander besprochen haben. Es waren Vorschläge zu hören wie: "Kommt alle hierher und dann hauen wir gemeinsam ab!"
Nach einer Stunde haben wir die Herrschaft der "Magio" dann aufgelöst und mit den Kindern das eben Erlebte besprochen. Es wurde erklärt, dass es vor gar nicht so langer Zeit wirklich eine solche Diktatur in Argentinien gab und dass das damals nicht so lustig ablief, wie wir es aufgezogen hatten. Dass damals das ganze Land von Angst und Schrecken beherrscht war, weil man nicht mehr öffentlich seine Meinung sagen durfte und wenn man es tat, musste man damit rechnen verschleppt zu werden.

In der kommenden Woche werden wir jedenfalls noch mehr Aktionen zum Thema "Demokratie" machen. Da wir jetzt nach der großen Sommerpause wieder mit den Gruppenaktivitäten in La Ploma beginnen, werden wir zum Beispiel eine große Wahl veranstalten, bei der die Kinder sich selbst mehrer mögliche Namen für ihre Gruppe überlegen und dann anhand von Stimmzetteln abgestimmt wird, wie die Gruppe sich das ganze kommende Jahr über nennen wird. Eben wie bei einer richtigen Wahl: Alle dürfen mitwählen, jede Stimme hat das gleiche Gewicht und am Ende müssen alle die gemeinsam getroffene Entscheidung akzeptieren.
Mittwoch, 24. März: Marcha
Heute war also der große Feiertag. Nachdem ich gestern abend mit fünf Mädels das Nelly Furtado-Konzert besucht hatte, war ich auch ganz froh, dass wir heute morgen etwas ausschlafen konnten. So gegen zwei Uhr mittags habe ich mich dann mit Hannah und meinen beiden Mitbewohnern auf den Weg richtung Innenstadt gemacht. Wir fuhren mit der Subte bis zum Congreso, dem Parlamentsgebäude von Buenos Aires, von wo aus eine der vielen Demonstrationen losgehen sollte. Als wir dort ankamen waren der Platz und die Straßen auch schon ziemlich gut mit Menschenmassen gefüllt.


Um diese Schicksale zu sühnen, auf die Desaparecidos aufmerksam zu machen und jenen dunklen Teil der Geschichte Argetniniens nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, versammeln sich also jährlich am 24. März zehntausende Menschen in der Innenstadt und demonstrieren auf der berühmten Plaza de Mayo, an der sich auch die Casa Rosada, das Regierungsgebäude, befindet. Allen voran marschieren natürlich die "Madres" der Plaza de Mayo, eine Gruppe Frauen/Mütter, die das ganze Jahr über daran arbeiten, Kinder von Verschwundenen zu ihren wahren Familien zurückzuführen. Außerdem kämpfen sie für die Verurteilung der Militärs, die damals vor über 30 Jahren dieses ganze Unrecht verbrochen haben. Denn leider befinden sich viele von ihnen noch immer auf freiem Fuß und wurden bisher noch nicht für ihre Vergehen zur Verantwortung gezogen.

Irgendwie fehlt so ein politisches Bewusstsein und dessen Umsetzung auf der Straße in Deutschland ein bisschen finde ich...
Freitag, 26. März: Día de la Votación

Beide Kindergruppen überlegten sich während der zweitägigen Vorbereitungsphase Namensvorschläge für ihre Gruppen. Auf der Suche nach möglichen Namen wurden auch Nachbarn, Freunde und Bekannte befragt und sogar Eltern telefonisch zu Rate gezogen. Nachdem für jede Gruppe dann irgendwann drei Favoriten feststanden, fingen die Kinder an, Wahlplakate für die jeweiligen Namensvorschläge zu entwerfen. Meine Gruppe hatte sich auf folgende drei Vorschläge geeinigt:
- Los 5 Mosqueteros y sus 2 Princesas (die 5 Musketiere und ihre 2 Prinzessinen)
- Los Demonios 2010 (die Dämonen 2010)
- Los Originales (die Originale)




Wahlplakate
Außerdem wurden sowohl eine große, bunte Wahlurne als auch Personalausweise für jedes Kind gebastelt. Am Tag der Wahl wurde La Paloma dann in ein richtiges, kleines Wahllokal verwandelt. Die Kinder mussten ihren Personalausweis vorzeigen, sich einen Stempel geben lassen und durften dann in einer Wahlkabine ihre Stimmzettel ausfüllen. Am Ende des Tages haben wir die Stimmzettel vor aller Augen im Speisesaal ausgezählt und den Gewinner bekannt gegeben. Meine Gruppe hat sich mit überwältigender Mehrheit (6:1 !!!) für "die 5 Musketiere und ihre 2 Prinzessinen" entschieden. War klar, dass der längste und schwierigste aller drei Vorschläge gewinnt...
Auf jeden Fall wurden den Kindern durch dieses Procedere die wesentlichen Werte der Demokratie vermittelt: Entscheidungen müssen zusammen getroffen werden, alle dürfen mitmachen, jede Stimme hat das gleiche Gewicht und am Ende müssen alle das Ergebnis akzeptieren und mittragen.
Bleibt zu hoffen, dass sie diese Erfahrung wertschätzen und sie mit in ihr wirkliches Leben nehmen, dass der Gedanke der Demokratie und Solidarität in ihren Köpfen bleibt.
Bilder und Videos(!) dieser ereignisreichen Woche finden sich in dem Fotoalbum "Día de la Memoria".