jetzt gerade ist es bei mir 23 Uhr und ich liege faul in Joggingklamotten auf unserem durchgelegenen WG-Sofa. Aber immerhin finde ich mal wieder Zeit ein bisschen was von Argentinien zu erzählen.
Gerade in den letzten Wochen sind mir immer mehr Eigenarten der Landesbevölkerung aufgefallen. Wenn man beispielsweise durch die Straßen fährt, entdeckt man, besonders in den Barrios weiter außerhalb, des Öfteren irgendwelche Autos, die am Straßenrand parken und auf deren Dach eine leere Plastikflasche steht. Die Flasche demonstriert den Leuten, dass das jeweilige Auto zu verkaufen ist. Oft klebt dann irgendwo im Fenster ein Zettel mit einer Telefonnummer, die man bei Interesse anrufen kann. Naja, aus dieser "Sitte" haben wir uns neulich einen kleinen Spaß gemacht und mal eben ne leere Wasserflasche auf so n schicken Ford-Schlitten gestellt ;)
Des Weiteren ist die große Mehrheit der Argentinier streng gläubig. Auf meinem Weg zur Arbeit fährt der Bus immer an einer Kirche vorbei und jedes, wirklich jedes Mal zähle ich mindestens 4-5 Leute im Bus, die sich in dem Moment bekreuzigen oder ein kurzes Gebet murmeln. Außerdem befindet sich unsere Wohnung neben einer Kirche, was heißt, dass so gut wie immer Leute bei uns in der Straße stehen und durch so einen kleinen Sehspalt einen Altar der Seitenkapelle anbeten.
Auf mich wirkt diese strenge Pflege des Glaubens irgendwie ein bisschen befremdlich und übertrieben. Aber wahrscheinlich darf ich meine Maßstäbe der deustchen, evangelischen Kirche nicht an den lateinamerikansichen, überwiegend katholischen Glauben ansetzen... Mal gucken, wie ich in ein paar Monaten zu dem Thema stehe.

Jetzt etwas weniger vom gesellschaftlichen Leben der Argentinier und dafür mehr vom gesellschaftlichen Leben der Merle:
Ich hab mir in der letzten Zeit einige Aktivitäten neben der Arbeit gesucht, sodass ich mittlerweile schon fast wieder den üblichen "Freizeitstress" erreicht habe, den ich auch zu Hause schon immer hatte. Ich gehe zum Beispiel 2x die Woche in ein Gymnasio

Des Weiteren habe ich von einer meiner Vorgängerinnen, die neulich zu Besuch im Projekt war den Tipp für eine Tanzschule in BsAs bekommen, sodass ich inzwischen schon 3x Tango tanzen war !! (an dieser Stelle: Danke Anna !) In dieser wirklich hübschen Tanzschule, die sich in einem alten Stadthaus in dem Schickeria-Viertel Palermo befindet, unterrichten überwiegend junge Lehrer, was dazu führt, dass auch das Publikum relativ jung ist. Da ich ja nie zu den großen Tänzerinnen gehört habe, bin ich schon mit einem etwas mulmigen Gefühl in die erste Stunde gegangen. Zwar hab ich mit 14 irgendwann mal die Standardtanzkurse absolviert, aber so richtig erinnern konnte ich mich an den Tango nicht mehr. Das war allerdings auch gar nicht nötig, da die Argentinier den Tango sowieso ganz anders tanzen und auch ganz anders unterrichten, als ich es noch aus Gemindzeiten kannte. Wir fingen mit Atemübungen an, dann folgten Übungen zur Gangart, sodass man ein Gefühl für die Tangomusik bekam und anschließend wurde die Haltung (sowieso das A und O beim Tango!) trainiert. Die Schritte kamen dann irgendwann von ganz alleine... Schon lustig, wie man auf einmal ganz schnell die Scheu vor dem Gegenüber verlieren kann. Auf jeden Fall hat mir das Tanzen bis jetzt viel Spaß gemacht, sodass ich in nächster Zeit bestimmt noch öfter hingehen werde. Vielleicht traue ich mich dann ja sogar bald mal auf einen dieser öffentlichen Tanzabende, hier "Milongas" genannt.
Gestern war ich außerdem das erste mal bei einer Chorprobe eines Chores, von dem ich über mehrere Ecken mal ganz entfernt etwas gehört hatte. Irgendwie hab ich mir dann die Nummer von dem Chorleiter besorgt und den mal angerufen. Leider hat der Gute am Telefon so undeutlich gesprochen, dass ich nur Ort und Zeit der nächsten Probe verstanden habe. So hab ich dann erst vor Ort erfahren, dass es sich bei dem Chor um den Unichor der hiesigen ökonomischen Fakultät handelte. Wie auch immer, jedenfalls haben mir die Probe, der Chor und die Stücke sehr gut gefallen und ich hab gemerkt, dass mir das regelmäßige Singen in den letzten Monaten schon irgendwie gefehlt hat. Mir wurde auch gleich die Mitgliedsliste in die Hand gedrückt, auf die ich mich eintragen sollte, sodass ich von nun an wohl jeden Montagabend zur Chorprobe gehen werde.
Nebenbei war es wieder ein großes Abendteuer, das erste Mal den Weg sowohl zur Tanzschule als auch zur Uni zu finden. Da läuft man wirklich alleine, nur mit dem Stadtplan "GuiaT" bewaffnet, durch die unbekannten Straßen, zählt die Quadras, sucht die Subtestationen, verfolgt die Buslinien und freut sich jedes mal, wenn man am gewünschten Ziel ankommt, ohne sich zu verlaufen... Abenteuer Großstadt!


Das vergangene Wochenende habe ich dann, wie bereits angekündigt, in Baradero verbracht. Dort hat das Projekt von zwei anderen Freiwilligen hundertjähriges Jubiläum gefeiert. Für das Festwochenende wurden im Voraus an die 500 Gäste erwartet, schlussendlich waren wohl an die 900 da. Das Fest ähnelte insgesamt einem deutschen Gemeindefest - Gottesdienst, Kinderspiele, Tombula, Verkaufsstände und viel Essen.


So, zum Schluss noch ein paar Sätze zu meiner Arbeit:
In den letzten Wochen bin ich immer besser ins Projekt reingekommen, was hauptsächlich meinen Fortschritten in Sachen Sprache zu verdanken ist. Klar, je besser ich Spanisch kann, desto besser kann ich schimpfen, Befehle erteilen oder Diskussionen führen, wer denn jetzt mit Abwaschen dran ist ;) Trotz der Verbesserung, will ich mich diese Woche doch mal auf die Suche nach einer Sprachschule o.ä. begeben, um die Grammatik noch ein bisschen besser zu lernen.


Vorletzte Woche haben wir mit unseren "Kleinen" (den 4 bis 8-jährigen) einen Ausflug in den Zoo von Palermo gemacht, da sie in den vergangenen Wochen inhaltlich zum Thema "Animales- also Tiere" gearbeitet haben. Für viele Kinder war es as erste Mal, dass sie aus ihrem Barrio raus und in die Großstadt nach Capital gefahren sind. Der Tag war insgesamt wirklich schön - Wetter war super, Kinder gut drauf und der Zoo war auch wirklich schön, wenn auch die Tierhaltung, meiner Meinung nach, teilweise nicht ganz artgerecht war. Aber da gelten hier wohl ebenfalls andere Richtlinien als in Deutschland.


In dem neuen Fotoalbum hab ich auch endlich mal Fotos von La Paloma und unseren Aktionen online gestellt. Ich dachte mir, ich schreibe mal die Namen bzw. Spitznamen der Kinder und Betreuer dazu, damit ihr mal hört, wie die Leute hier so heißen ;) Lenas und Lisas gibt's hier nämlich nicht so viele...
So, eigentlich wollte ich noch von dem Renovierungswahn meiner Mitbewohner (die beiden, bzw. eher Simon, haben nämlich über's Wochenende ihren monströsen Schrank zerkloppt und nun ihr Zimmer neu eingerichtet) und dem Tohuwabohu der argentinischen Behörden bzgl. unseres Visums erzählen, aber dazu habe ich jetzt keine Lust und keine Energie mehr ;)Mittlerweile ist es auch schon 1 Uhr und ich schließlich muss ich ja morgen wieder früh *hust* aufstehen und arbeiten.
Abrazos, liebste Grüße
eure Merle
PS: Ach ja, eins noch, wem Schwarz-Gelb auch nicht gefällt: Wandert doch einfach aus, kommt zu mir nach Argentinien =)
Schön von dir zu lesen Merlchen,
AntwortenLöschenund wow, du hast es geschafft ins DNI zu gehen...bist du jetzt schon Tango-addicted? Hach, ich würde gern mal wieder dort vorbei schaun...die paar Stunden, die ich wärend meines Urlaubs genommen habe, haben echt was gebracht, also nutze es aus solange du kannst (die Qualität zu dem Preis kriegst du nie mehr wieder) und erzähl von deinen ersten Milonga Erlebnissen.
dicken Kuß an meine lieben Paloma Kids und maestros...ich bin beeindruckt mit welchem Aufwand sie immer wieder krasse Aktionen durchziehen!!!
und beso. Anna