Hola Queridos y Queridas =)

Soweiso zum Thema Wohnung und Leben allgemein: Insgesamt gefällt mir das WG-Leben ziemlich gut. Ich weiß nicht, ob ich einfach nur sau Glück mit meinen beiden Mitbewohnern gehabt habe oder ob es in allen WGs so schön friedlich zugeht wie bei uns. Auf jeden Fall kommen wir drei bis jetzt wirklich gut miteinander aus, oft wird abends gemeinsam gegessen oder n Film geguckt. Außerdem ist es auch ganz schön, dass, wenn man von der Arbeit nach Hause kommt, jemand da ist, mit dem man in der Küche mal fix ne Runde schnacken und erzählen kann, was am Tag so passiert ist. Ich bin wirklich froh drüber, dass ich nciht alleine wohne, sondern die Jungs hier habe.

Auch unter dem Aspekt betrachtet, dass die beiden sich meistens gemeinsam und voller Zerstörungswut auf die Kakerlaken stürzen, die sich hin und wieder mal in unsere Wohnung schleichen. Da es vergangene Woche wirklich sehr viel geregnet hat und es einfach kalt, nass und ungemütlich war, haben sich mehr Kakaerlaken als sonst zu uns ins Warme geflüchtet. Naja, leider fanden dann hier alle den Tod, indem sie von Simon und Jonas ausgeräuchert wurden. That's life!
Ein weitaus dramatischeres Ereignis musste mein Mitbewohner diese Woche erleben. Jonas arbeitet zusammen mit Hannah, einer anderen Voluntärin, in der Casa San Pablo, einem Sozialprojekt in San Miguel, welches sich vor allen Dingen um die Familien und Menschen im Barrio kümmert. Also befindet sich das Projekt der beiden auch in einer relativ armen und trostlosen Gegend. Nun sind die beiden am vergangenen Mittwoch auf dem Weg von der Bushaltestelle zur Casa San Pablo überfallen worden. Zwei junge Männer kamen den beiden entgegen, bedrohten sie und entrissen ihnen Rucksack und Handtasche, wobei Hannah sogar zu Boden geschleudert wurde. Jonas hatte zum Glück all seine Wertsachen in der Hosentasche, Hannah wurde dadurch jetzt eben Handy und Geld geklaut. Der Schock saß uns allen, aber natürlich vor allen Dingen den beiden, den ganzen Tag lang noch in den Gleidern, auch wenn Jonas später am Abend schon wieder scherzhaft das Fazit ziehen konnte: "Immerhin sind wir die ersten Voluntäre, die dieses Jahr überfallen worden sind."
Trotzdem haben wir alle noch relativ viel über die Sache gesprochen und nachgedacht. Der Überfall hat uns halt wirklich gezeigt, wie gefährlich diese Barrios sein können, gerade wenn man als vermeintlich reicher Europäer alleine unterwegs ist. Auf der anderen Seite fällt es einem immer schwerer wütend oder sauer auf diese Menschen zu sein, die eben andere Leute überfallen oder beklauen. Je mehr man die Menschen und ihre Lebensumstände hier kennenlernt, umso mehr bekommt man mit, in welcher Armut sie teilweise leben. Gerade die Leute aus dem Barrio leben oft am Rande der Existenz... und so klischeehaft es auch klingen mag: Die Armut treibt die Menschen zu kriminellen Dingen wie Überfällen und Diebstahl - weil sie es einfach nötig haben. Traurig, aber wahr.
Insofern hat die Erfahrung, die Jonas und Hannah diese Woche mit dem Überfall gemacht haben, allseits irgendwie komische, zwiespältige Gefühle ausgelöst...
Seit fünf Wochen lebe ich nun "allein" bzw. selbstständig und kann mit ein bisschen Stolz sagen, dass ich mittlerweile einen mehr oder weniger geregelten Alltag erlangt habe, was wirklich schön ist. Es tut gut, ein bisschen Struktur im Tag zu haben, zu wissen was kommt und trotzdem einigermaßen spontan seine Woche planen zu können.

Ich fühle mich immer mehr zu Hause, auch wenn ich letzte Woche das erste Mal Heimweh hatte, was vor allen Dingen mit dem schlechten Wetter und meinen Kopfschmerzen zusammenhing. Jedoch habe ich die ultimative Lösung gegen Heimweh entdeckt: Einfach die gute, alte Hausmannskost aus Mamas Küche nachkochen! So hab ich letzte Woche schön ne Runde Blumenkohl mit weißer Soße und Frikadellen gekocht. Es ist mir sogar einigermaßen gelungen. Jedenfalls waren meine Mitbewohner schwer begeistert und der eigentliche Vegetarier Jonas hat sogar drei Frikadellen gegessen. Welch ein Kompliment ;)
Des Weiteren kann ich berichten, dass ich mich immer mehr an meine Wirkung als große, blonde Deutsche gewöhnt habe. Mittlerweile stört mich das ständige hinterher pfeifen, hupen und angeguckt werden gar nicht mehr sooo sehr. Klar, ist es immer noch nervig und auch irgendwie eklig, wenn so n alter, schleimiger Kerl dir im Vorbeigehen so was wie "süße Schnecke" zuraunt, aber im Großen und Ganzen habe ich diese Eigenart der argentinischen Männer akzeptiert und finde sogar fast, dass es das tägliche Geschehen auf den Straßen irgendwie lebendiger macht.

Aus La Paloma gibt es gar nicht soooo viel Neues zu berichten. Letzten Donnerstag habe ich mich mit ein paar Mädels auf die Verkleidungskiste gestürzt - das war ein Spaß! Auf einmal verwandelten sich sechs kleine Mädchen, die sonst mit eher dreckigen, zerissenen Klamotten rumlaufen in Prinzessinen, mit allem was dazu gehört: Krönchen, quietscherotem Lippenstift und viel zu großen hohen Schuhen.
Morgen feiern wir "La Fiesta de Primavera" (Fest des Frühlingsanfangs) in La Paloma mit vielen Spielchen und anderen Aktionen. Außerdem machen wir diese Woche mit den Kleinen, die schon seit einiger Zeit zum Thema "Tiere" arbeiten, einen Ausflug in den Zoo von Palermo, worauf ich mich schon sehr freue. Für viele der Kinder wird es das erste Mal sein, dass sie nach Capital fahren... aufregend!

Letzten Samstag habe ich zusammen mit einigen anderen Voluntären an einer Stadtführung durch BsAs Capital teilgenommen. Angeboten wurde diese Führung von Herrn Muhlert, einem wirklich äußerst fitten, älteren Herrn, der seit seiner Rente hier in Argentinien lebt und schon seit Jahren mit den Projekten der IERP und den Voluntären arbeitet.

Für alle, die sich (vielleicht auch angeregt durch meine Berichte?) für Argentinien interessieren, habe ich zwei Buchempfehlungen:


"Mein Name ist Luz" und "Im Himmel Tango" - beides von der argetninischen Autorin Elsa Osorio.
Diese beiden Romane habe ich jetzt gerade hier gelesen (schließlich hab ich ja täglich während meiner Busfahrt zwei Stunden Zeit dafür ;) und kann sie durchaus weiter empfehlen. Gerade weil man mehr so nebenbei eine ganze Menge über die argentinische Vergangenheit erfährt, zB. in "Mein Name ist Luz" über die Militärdiktatur in den 70er Jahren, die Kinder, die zu der Zeit aus den Gefangenenlagern gestolen wurden usw. "Im Himmel Tango" behandelt mehr das Buenos Aires des späten 19./frühen 20. Jhds., was auch sehr interessant ist. Zudem wird viel über die Herkunft und Leidenschaft des Tangos erzählt. Durch diese beiden Romane habe ich erstens verstanden, dass Argentinien von den Einflüssen der vielen Einwanderer geprägt ist, zweitens die Bevölkerung schon immer, wirklich immer, in gesellschaftliche Klassen (arm & reich) unterteilt war (was bis heute so ist!) und drittens ein dunkles Kapitel in der eigenen Landesgschichte besitzt, welches gar nicht so lange zurück liegt und von den Menschen noch lange nicht verarbeitet worden ist...
Zum Schluss möchte ich mich noch mal für all die lieben Rückmeldungen bedanken, die ich für meinen Blog bekomme. Es macht umso mehr Spaß meine Erlebnisse aufzuschreiben, wenn ich weiß, dass viele Leute sich für diese Seite interessieren, auch wenn ich nicht mehr ganz so regelmäßig schreibe wie am Anfang. Wer möchte darf mir natürlich gerne schreiben, entweder über die Kommentarfunktion unter den Beiträgen oder einfach per Email an merlesievers@web.de . Ich freue mich über Nachrichten, Feedback und sonstige Post!
Des Weiteren habe ich wieder ein neues Fotoalbum angelegt, wo Bilder aus den letzten zwei Wochen zu bewundern sind.
So, jetzt bin ich müde und verabschiede mich ins Bett.
Liebste Grüße aus dem langsam sonniger werdenen Buenos Aires,
un abrazo
Merle
hola Merlchen!
AntwortenLöschenSchön von dir zu lesen! Cool, du hast jetzt die Stadtführung gemacht! Die Bücher werde ich mir auch gleich suchen, die kenn ich noch gar nicht!
Kennst du "3 Minuten mit der Wirklichkeit" von Wolfram Fleischhauer...das ist auch super und über Tango und Militärdiktatur!
Was macht denn Tango...hast du mal ne Stunde genommen?
Ich bin wieder in Berlin gelandet und genieße den Spätsommer! Es ist ganz komisch auf der Straße Männern zu begegnen, die einen nicht anmachen oder hinterherpfeifen :o)
ganz viele besos und die kids und senors!
un abrazo desde Berlin.
Anna
Merrit! Ich hab sehr viel aus deinem reichhaltigen Erfahrungsschatz lernen können! Selten so viel Weitblick, Reflexion, Verständnis und Empathie in einem Suppenlöffel gesehen! Ich musste vielleicht auch ein paar kleine Male schmunzeln - weil ich es nötig hatte!
AntwortenLöschenUnd zum Schluss noch eine Literaturempfehlung: Lustiges Taschenbuch. LTB 356. Scheriff gesucht ! ( Walt Disney ). Nebenbei erfährt man eine Menge über die Geschichte von Entenhausen! Toll!
Mit einem dicken Schmatzer! Dein Peer